Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.«
Wie das gefühlte Alter die Denkleistung beeinflusst
»Man ist immer nur so alt, wie man sich fühlt.« Diesen Satz tragen wohl nicht nur rüstige Rentner vor sich her, die die 75 bereits überschritten haben, aber immer noch fit wie 60-Jährige sind. Wissenschaftler der amerikanischen Purdue University konnten nun feststellen, dass es wohl wirklich einen Zusammenhang zwischen dem gefühlten und dem tatsächlichen Alter gibt – und zwar bei den kognitiven Fähigkeiten des Gehirns.
Die amerikanischen Forscher befragten 1995 rund 500 Probanden zwischen dem 55. und 75. Lebensjahr, wie alt sie sich körperlich und geistig fühlten. Die meisten Teilnehmer schätzten ihre Leistungsfähigkeit so ein, als wären sie zwölf Jahre jünger, bezogen auf ihr kalendarisches Alter, andere dagegen schätzten sich sogar älter. Zehn Jahre später wurden dieselben Menschen erneut befragt. Tatsächlich waren diejenigen besser in ihren kognitiven Fähigkeiten, die sich zehn Jahre zuvor jünger eingeschätzt hatten, so als ob das Gefühl, jünger zu sein, den Körper dazu überredete, langsamer zu altern. Umgekehrt bewerteten vor allem Frauen, die 1995 schon über stärkere Alterserscheinungen geklagt hatten, als es dem Durchschnitt ihres Geburtsjahrgangs entsprach, die Leistungsfähigkeit ihres Denkorgans als eher schlecht. Natürlich spielt das biologische Alter in diesem Zusammenhang eine Rolle. Aber das gefühlte Alter beeinflusst die kognitiven Leistungen deutlich stärker. Unklar ist jedoch, was stärker wirkt: Steigern Wohlbefinden und Glücksgefühle die Kognition, oder trägt geistige Leistungsfähigkeit dazu bei, dass man sich jugendlicher fühlt?
»Ich finde das Alter
nicht arm an Freuden;
Farben und Quellen
dieser Freuden
sind nur anders.«
Alexander von Humboldt
Dennoch sind diese Ergebnisse durchaus mit gemischten Gefühlen zu sehen, denn in unserer Gesellschaft wird Jugendlichkeit sehr hoch bewertet, was viele ältere Menschen unter Druck setzt und unnötigen Stress bei ihnen bewirken kann. Andererseits sorgt dieser Wettbewerb um Jugendlichkeit dafür, dass sich in die Jahre gekommene Menschen häufiger auf Neues einlassen, was sich wiederum positiv auf ihre Selbstwahrnehmung und ihre geistige Leistungsfähigkeit auswirkt. Generell wünschenswert wäre, dass das Zutrauen in die veränderte Leistungsfähigkeit älterer Menschen zunimmt, gepaart mit der Einsicht, dass Alterungsprozesse auch das Gehirn betreffen und man sein Denken und Lernen darauf einstellen muss.
Postkarte aus dem Leben
Herr Schnuppe ist ein strebsamer, ehrgeiziger und junger Mitarbeiter, wenn da nur nicht die Angst vor Präsentationen und dem Reden vor einer größeren Gruppe wäre. Und jetzt auch noch das. Der Chef platzt in großer Hektik in das Großraumbüro, in dem unter anderem Herr Schnuppe und Frau Fröhlich sitzen. Er will mit großer Dringlichkeit einige wichtige Informationen zu einem Projekt haben. Etwas unverhofft fragt er zunächst Herrn Schnuppe. Der hat das Projekt gut im Griff und eigentlich immer alle relevanten Informationen zu Hand, wie seine Kollegen bestätigen können. Doch sein erster Antwortversuch ist ein hilfloses Stottern. Der Chef hakt nach, eine Bemerkung über seinen roten Kopf gibt Herrn Schnuppe den Rest. Er weiß nichts mehr, und was noch schlimmer ist, er sucht auch gar nicht mehr nach der Antwort, will nur noch weglaufen, dem »Rampenlicht« entkommen. Schnell, wie ein Schwimmer, der das rettende Ufer erreichen will, sagt er: »Ich kann Ihnen dazu nichts sagen«, was zwar nicht stimmt, aber so ist die schreckliche Situation wenigstens beendet.
Nun wendet sich der Chef an die ältere Dame, Frau Fröhlich. Auch sie bekommt einen roten Kopf, hatte sie doch nur halb zugehört und sich mehr mit der Antwort auf eine dringende E-Mail beschäftigt, als auf die Fragen des Chefs zu achten. Aber Frau Fröhlich reagiert gut und keineswegs kopflos, indem sie ihrerseits fragt, ob er seine Frage noch mal wiederholen könne, und um Verzeihung bittet, nicht besser zugehört zu haben. Etwas ungeduldig wiederholt ihr Chef sein Anliegen. Dadurch hat Frau Fröhlich Zeit gewonnen, und es fallen ihr mehr Details zu besagtem Projekt ein, als sie gedacht hätte. Sogar die Zahlen, die sie nennt, stimmen ungefähr. Ihre Antwort ist nicht perfekt, aber sie strahlt Ruhe aus, obwohl auch ihr Herz rast, die Pupillen sich geweitet haben und die
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