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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Korte
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Muskeln angespannt sind. Mittlerweile flaut ihre Stressreaktion allerdings ab, denn sie hat die Situation positiv gemeistert. Der Chef wendet sich zufrieden ab.
    Situationen wie diese gehören zum normalen Berufsalltag; sie zeigen, wie wichtig es ist, mit welcher Einstellung man Stresssituationen gegenübersteht. Wann immer man noch eine Handlungsoption sieht, ist die Stressreaktion des Körpers schnell unter Kontrolle gebracht.

KAPITEL 6
    Weise Greise: Ältere Gehirne sind clevere Gehirne
    Die drei Siebe des Sokrates
    Zum weisen Sokrates kam einer gelaufen und sagte: »Höre, Sokrates, das muss ich dir erzählen!« – »Halte ein!«, unterbracht ihn der Weise. (…) »Lass erst sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?« – »Nein, ich hörte es erzählen und …« – »So, so! Aber sicher hast du es im zweiten Sieb geprüft. Es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst, gut?« Zögernd sagte der andere: »Nein, im Gegenteil …« – »Hm«, unterbrach ihn der Weise, »so lasst uns auch das dritte Sieb noch anwenden. Ist es notwendig, dass du mir das erzählst?« – »Notwendig nun gerade nicht …« – »Also«, sagte lächelnd der Weise, »wenn es weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein, und belaste dich und mich nicht damit.«
    Was ist Weisheit?
    Der gute Sokrates ist ein Held der Weisheit (weshalb ihm auch diese Geschichte zugeschrieben wird, obwohl die Quelle nicht gesichert ist) – und er war alt. Der griechische Philosoph zählte immerhin 70 Jahre, als er starb, und das war vor mehr als zwei Jahrtausenden in der Tat ein biblisches Alter. Warum aber verbindet man Weisheit vor allem mit alten Menschen? Und ist Weisheit eine Fähigkeit, die nur Philosophen zugeschrieben wird, oder kann man sie auch im Alltag finden?
    Jeder kennt das: Man hört die Meinung oder Einschätzung eines anderen zu einer Situation und ist verleitet zu sagen: »Wie weise!« Damit meint man landläufig eine spezielle Mischung aus Herz und Verstand, die Menschen in einer schwierigen, unübersichtlichen, verworrenen Lage dazu befähigt, die richtige Entscheidung zu treffen. Aber ist Weisheit eine Eigenschaft, für die es allgemeine Kriterien gibt? Findet man zumindest innerhalb eines Kulturraumes Definitionen von »weise« und »nicht weise«, auf die wir uns alle einigen können? Und lässt Weisheit sich in irgendeiner Form wissenschaftlich untersuchen?
    Um diese Fragen zu beantworten, setzte die berühmte Berliner Altersstudie (1989–1996) eine Vielzahl von unabhängigen Beobachtern ein, die Menschen ohne Kenntnis ihres Alters anhand von Fragebögen danach beurteilen sollten, ob sie sie für weise hielten oder nicht. Die Befragten mussten beispielsweise angeben, was sie in einer komplexen menschlichen Situation, z. B. einem Streit, sagen oder tun würden. Oder sie bekamen die simple und nicht weiter differenzierte Frage gestellt, wie man am besten von Rom nach Berlin kommt. Natürlich könnte man darauf schnell und einfach antworten: Wie wäre es mit dem Flugzeug? Genauso kann man aber auch mit einer Reihe von Gegenfragen antworten (z. B. wie lange der Reisende in Berlin bleiben will, ob er alleine oder zu mehreren reist, wie viel Zeit er hat etc.) und damit eine Reihe weiterer Variablen berücksichtigen. Dies ist natürlich langwieriger als die schnelle Antwort »mit dem Flugzeug«, aber auch deutlich variantenreicher in den möglichen Antworten. Ältere Menschen, so ergab die Studie, hatten nicht ein Detail der Situation vor Augen, sondern eher das große Ganze. Zwar macht diese Herangehensweise Entscheidungen nicht unbedingt schneller, aber es vergrößert die Handlungsvarianten, da mehr Einflussfaktoren berücksichtigt werden.
    Die Antworten der Befragten wurden hinterher von Gutachtern analysiert, die ihrerseits nichts über die Studienteilnehmer wussten. Erstaunlicherweise herrschte dabei häufig große Übereinstimmung über die Situationsanalysen oder Lösungswege, die als weise galten – oder eben nicht. Das Überraschendste aber war, dass fast alle Antworten, die als weise eingestuft wurden, von Probanden stammten, die älter als 65 Jahre waren.
    Nun gehört Weisheit zu den mit am höchsten bewerteten menschlichen Fähigkeiten, und sie wird vor allem älteren Menschen zugeschrieben. Wie passt dies aber zu den Befunden, dass Rechenkapazität,

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