Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Informationen einer Situation zu verarbeiten. Ältere Menschen sind deutlich besser darin, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und sich auf die entscheidenden Aspekte einer Situation zu konzentrieren, jedenfalls dann, wenn sie dabei auf ihre Berufs- oder Lebenserfahrungen Zugriff haben. Die Entscheidungsfindung kommt also weniger durch die Verarbeitung vieler Einzeldaten als durch Mustererkennung zustande.
Dies wird auch durch eine Untersuchung belegt, die der Psychologe Art Kramer in den USA durchgeführt hat: Vor dem Hintergrund, dass Flugkontrolleure und Fluglotsen in vielen Ländern schon im Alter von 55 Jahren in Pension gehen müssen, während sie anderswo bis zum normalen Pensionsalter weiterarbeiten dürfen, hat Kramer Angestellte in Kanada, wo Fluglotsen erst mit 65 pensioniert werden, in real inszenierten Arbeitssituationen beobachtet. In mehrstündigen kognitiven Tests kam er zu dem Ergebnis, dass junge Fluglosten hinsichtlich der Verarbeitungsgeschwindigkeit besser waren als ältere. Aber: Die älteren Fluglotsen schnitten besser ab, wenn es darum ging, ein zweidimensionales Flugobjekt von einem Bildschirm in einer dreidimensionalen Welt an der richtigen Stelle des Himmels zu verorten (visuelle Orientierung) oder in unklaren, uneindeutigen oder vieldeutigen Situationen zu reagieren, etwa wenn sich Informationen widersprachen, der Computer abstürzte oder offensichtliche Fehlinformationen lieferte.
Ein ähnlich interessantes Ergebnis erbrachte eine Studie, in der in einem Zeitraum von drei Jahren die Leistungen älterer Flugpiloten (über 60 Jahre alt) mit denen jüngerer (40 Jahre alt) verglichen wurden. In der Tat lernten die jüngeren Piloten schneller, im Flugsimulator ein Flugzeug zu steuern, mit den Flugkontrolleuren zu kommunizieren, die Fluginstrumente zu kontrollieren, mit einer neuen Situation umzugehen, Kollisionen mit anderen Flugzeugen und umliegenden Bergen zu verhindern und am Ende sicher zu landen. Als die Lernübungen in einer zweiten Sitzung wiederholt wurden, zeigte sich aber ein erstaunlicher Effekt. Die älteren Piloten waren den jüngeren voraus, und zwar in zwei entscheidenden Punkten: ein hohes und zu dichtes Verkehrsaufkommen in der Luft zu verhindern und Kollisionen zu vermeiden. Damit stand am Ende dieser Übung fest, dass die jüngeren Piloten zwar schneller lernten und generell reaktionsschneller waren (gut, wenn zwei Flugzeuge unmittelbar zu kollidieren drohen). Die älteren Piloten jedoch waren besser darin, Kollisionen von Beginn an zu vermeiden – wenn man es genau nimmt, der wichtigere Flugtestparameter, denn als Passagier wünscht man sich ja einen Piloten, der es gar nicht erst zu gefährlichen Situationen kommen lässt. In gewisser Hinsicht agierten die Älteren also deutlich effektiver als die Jüngeren.
Dieser Effekt zeigte sich auch in Studien mit Sekretärinnen: So waren ältere Sekretärinnen tatsächlich langsamer im Tippen als jüngere, brauchten erwartungsgemäß länger für die Informationsverarbeitung, und die Kapazität ihres Arbeitsgedächtnisses erwies sich als geringer. Was sie aber nicht davon abhielt, beim Tippen früher am Seitenende anzukommen als ihre jüngeren Kolleginnen. Sie vermochten einfach sehr effizient den Text zu antizipieren, den man ihnen diktierte, wodurch es ihnen gelang, ihre etwas geringere Verarbeitungs- und Tippgeschwindigkeit wieder wettzumachen. Fazit: Gedächtnisverschlechterungen können durch Strategien und Methoden gut kompensiert werden.
Inwiefern sich das 50plus-Gehirn außerdem verändert, zeigt die folgende Übersicht:
Im Alter verlangsamen sich
einige geistige Funktionen:
Einige geistige Funktionen
bleiben unverändert oder
verbessern sich:
Töne, Bilder und Gerüche werden
nicht mehr so rasch verarbeitet.
Sprachkompetenz
Das Gedächtnis behält neue
Informationen weniger gut.
Sprachgedächtnis
Es wird schwieriger, gezielt auf
Erinnerungen zuzugreifen und diese
mit neuen Informationen in einen
größeren Kontext zu stellen.
räumliche Orientierung
Konzentrationsfähigkeit und
Aufmerksamkeit nehmen ab.
schlussfolgerndes Denken
Reaktionen werden langsamer.
Expertenwissen
Vokabellernen braucht mehr Zeit.
Weisheit
Das Arbeitsgedächtnis wird
schlechter.
emotionale Kontrolle
Es fällt älteren Menschen schwerer,
wichtige von unwichtigen Infor-
mationen zu unterscheiden.
emotionale Intelligenz (EQ)
Generell gilt, bei Aufgaben, die ein
besonders schnelles Auffassen und
Umsetzen erfordern, sind ältere
Menschen (>65 J.)
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