Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Lähmung kann ein Arm nicht gehoben werden bzw. sinkt oder dreht sich, vor allem bei geschlossenen Augen, ab)? Kann ein einfacher Satz verständlich formuliert oder verstanden werden, ohne dass er verwaschen klingt?
Auch wenn der Patient keine Schmerzen hat, bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist äußerste Eile geboten! Für die Erste Hilfe gilt: Erst den Notruf tätigen, dann den Patienten so lagern, dass der Oberkörper erhöht ist, und fortlaufend das Bewusstsein kontrollieren, dabei jede körperliche Belastung vermeiden. Es sollte auch darauf geachtet werden, dass der Betroffene nichts isst oder trinkt, da Erstickungsgefahr droht, wenn das Gehirn den Schluckvorgang nicht mehr korrekt steuern kann. Wenn irgend möglich, sollte ein Patient mit Verdacht auf einen Schlaganfall zur genauen Diagnostik und Therapie in eine spezialisierte Abteilung für Schlaganfall-Behandlung (Stroke Unit) gebracht werden.
Dort wird man als Erstes versuchen, den Patienten mit speziellen Medikamenten zu behandeln, die eine Auflösung der kleinen Blutgerinnsel in den Blutgefäßen bewirken (Thrombolyse). Um die Durchblutung aller Gehirnareale so schnell wie möglich wiederherzustellen, sollte damit innerhalb der ersten vier Stunden nach einem Schlaganfall begonnen werden.
Nicht zu verwechseln mit einem Schlaganfall, auch wenn sich die Symptome gleichen, ist eine sogenannte Transitorische Ischämische Attacke ( TIA ). Hierbei handelt es sich um eine vorübergehende Durchblutungsstörung im Gehirn, die wenige Minuten bis Stunden, aber weniger als 24 Stunden dauert und in der Regel ohne sichtbare Folgen bleibt. Dennoch darf auch eine TIA nicht unterschätzt werden, zum einen weil bei vielen Patienten mit einer TIA morphologische Schädigungen des Gehirns nachweisbar sind, zum anderen weil das Risiko für einen Schlaganfall nach einer TIA sehr groß ist. Insofern muss eine TIA genauso behandelt werden wie ein »normaler« Schlaganfall.
Rehabilitation
Die Rehabilitation von Patienten mit einem Schlaganfall beginnt idealerweise sofort nach dem Auftreten erster Symptome in spezialisierten Behandlungszentren, den erwähnten Stroke Units, von denen es in Deutschland mittlerweile fast 200 gibt. Obwohl nach der akuten Versorgung eines Schlaganfallpatienten die Schädigungen seines Gehirns hoffentlich in Grenzen gehalten werden konnten, muss man fast immer damit rechnen, dass bestimmte Gehirngebiete unwiederbringlich verloren gegangen sind und die Sprache oder die Motorik von Armen und Beinen infolgedessen eingeschränkt ist. Wie man heute weiß, muss man diese Lähmungen oder Sprachstörungen aber nicht als gegeben hinnehmen, sondern kann mit viel Training das Schlimmste verhindern. Reha-Ansätze erfordern ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit und sind bei konsequenter Ausführung für den Rehabilitationsverlauf maßgeblich mitverantwortlich. Eine neue und wissenschaftlich gut belegte Methode besteht z. B. darin, sich die Plastizität, die auch dem alternden Gehirn noch zu eigen ist, zunutze zu machen. Sie bedeutet, dass das Gehirn sich neu verschalten kann, wenn sich die Nutzung bestimmter Gehirnareale verändert. Da die Körperoberfläche in der Sensorik und Motorik über Kreuz verschaltet ist und die linke Seite der Welt in der rechten Großhirnhemisphäre verarbeitet wird und umgekehrt, kann ein Schlaganfall, bei dem beispielsweise das Gebiet des motorischen Cortex in der rechten Hemisphäre betroffen ist, eine Lähmung oder zumindest Bewegungseinschränkung der linken Hand verursachen. Der betroffene Patient wird dann nur noch die rechte, voll funktionsfähige Hand nutzen wollen. Indem die gesunde Hand aber bis zu acht Stunden täglich in eine Schlaufe oder in einen engen Verband gelegt wird, ist er gezwungen, die linke Hand zu gebrauchen; das mag ihm am Beginn der Therapie absurd vorkommen, aber die Erfolge in der Behebung solcher Bewegungsschäden sind enorm.
Das Gehirn programmiert sich dabei um: Mühsam und langwierig werden die Verbindungen gestärkt, die die Motorik und Sensorik der verletzen Hemisphäre mit einer Hand, einem Arm oder einem Bein verbinden, die zuvor gelähmt schienen. Dafür müssen die Nervenzellen neue synaptische Kontakte bilden bzw. bestehende, aber ungenutzte Synapsen verstärken, und neue Axone und Dendriten müssen auswachsen. Wie die Willenskraft eines Menschen dies bewirken kann, wird intensiv wissenschaftlich untersucht. Bisherige Befunde zeigen, dass die Moleküle und zellulären
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