Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
abbauenden Enzymen entgegen und normalisieren das Ungleichgewicht der Neurotransmitter.
Eine andere Art der Behandlung stellt die Gabe von GDNF (Glial-cell line derived neurotrophic factor) dar. Dies ist ein Wachstumsfaktor, der besonders Dopamin produzierende Neuronen am Leben hält. Klinische Studien testen gerade, ob er eine therapeutische Relevanz haben könnte. Allerdings ist die Darreichungsform nicht ganz unproblematisch: Da GDNF nicht die Blut-Hirn-Schranke passieren kann, muss es mittels einer Injektion von gentechnisch veränderten Viren verabreicht werden, eine Methode, die beim Menschen immer noch nicht ausgereift ist. Nur wenige Parkinson-Zentren bieten diese Möglichkeit überhaupt an.
Parkinson war eine der ersten Erkrankungen, die man versucht hat mit Hilfe von neuronalen Stammzellen zu kurieren. Die Idee ist simpel: Im Gehirn der Parkinson-Patienten ist eine eng begrenzte und gut definierte Gruppe von Nervenzellen betroffen, die als Botenstoff Dopamin verwenden. Stammzellen sind die (fast) Alles-Könner unter den Körperzellen, und wenn es gelingen würde, diese in das Gehirn an die richtige Stelle (die Substantia nigra) zu injizieren, und die Stammzellen sich dann noch zu einem bestimmten Zelltyp (dopaminerge Neuronen) entwickelten, wäre es denkbar, die Erkrankung ursächlich zu heilen. Bisher ist dies Zukunftsmusik, aber es wird intensiv daran gearbeitet, die so vielversprechenden neuronalen Stammzellen für die Medizin nutzbar zu machen.
Ein anderer Ansatz, um die Parkinson-Erkrankung in Schach zu halten, ist die Tiefenhirnstimulation, die in der Tat schon bei vielen Patienten erfolgreich angewendet wird. Dabei werden dem Patienten Elektroden implantiert, die über unter der Haut verlegte Leitungen mit einem Impulsgeber im Bereich der Brust oder dem Oberbauch verbunden sind (Abb. 37).
Das gerne auch als »Hirnschrittmacher« bezeichnete System stimuliert mit minimalen elektrischen Impulsen (3 bis 5 V bei einer Stimulationsfrequenz von 130 Hz) das Mittelhirn oder Kerngebiete direkt unter dem Thalamus (Nucleus subthalamicus). Dabei werden entweder durch den Dopaminmangel gestörte Gehirnrhythmen normalisiert oder die noch verbleibenden dopaminergen Nervenzellen aktiviert und wundersamerweise länger am Leben erhalten. Bislang wurden weltweit ca. 50.000 Patienten mit dieser Art der Gehirnstimulation operativ versorgt, und die bisherigen Ergebnisse sind überaus positiv: Nicht nur Krankheitssymptome wie Zittern (Tremor), Steifigkeit (Rigor) und Bewegungsarmut (Akinese) bessern sich dadurch, sondern nachweislich auch die Lebensqualität der Patienten – bisher sogar ohne abnehmende Wirkung, wie das bei der L-Dopa-Gabe noch beobachtet wurde. Auch die beschriebenen Nebenwirkungen sind gering. Ein anderer Vorteil der Stimulation besteht darin, dass man sie bei ungewollten Nebeneffekten einfach einstellen kann. Warum diese Methode der Symptombehandlung so lange Zeit so erfolgreich und ohne eine Abnahme der Wirksamkeit funktioniert, ist weitgehend unbekannt.
Abbildung 37: Darstellung der implantierten Elektroden bei der Tiefenhirnstimulation
Die Elektroden werden in einem neurochirurgischen Eingriff millimetergenau in das Gehirn der Patienten eingeführt. Bei diesem Eingriff können die Patienten wach sein, da das Gehirn selbst schmerzunempfindlich ist.
Schlaganfall
Im Unterschied zu den langsamen, degenerativen Gehirnerkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer, die einen schleichenden Verfall mit sich bringen, ist ein Schlaganfall eine plötzlich auftretende Erkrankung des Gehirns. Dabei wird die Blutversorgung des Gehirns massiv gestört, was oft zu einem anhaltenden Ausfall von Gehirnfunktionen führt. Der Psychologe Scott Moss, der im Alter von 43 Jahren einen Schlaganfall erlitt und in der Folge weder Sprache verstehen konnte, noch in der Lage war, selbst zu sprechen (Aphasie), und zudem rechtsseitig gelähmt war, beschrieb seine Erfahrungen nach dem Gehirnschlag so:»Als ich am nächsten Morgen im Krankenhaus aufwachte, war ich aphasisch. Ich konnte vage verstehen, was andere zu mir sagten, wenn sie sehr langsam sprachen und sich auf einen sehr konkreten Vorgang bezogen … Ich hatte jede Fähigkeit, zu sprechen, zu lesen und zu schreiben, verloren. Die ersten beiden Monate war ich sogar unfähig, innerlich – also in Gedanken – Worte zu verwenden … Ich konnte auch nicht mehr träumen. Was von mir selbst geschaffene Konzepte betraf, lebte ich also acht bis neun Wochen lang in einem
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