Jungs sind keine Hamster
Vampire und Skelette in meine Richtung und holten sich eine Erfrischung, die sie gierig auf ex runterkippten, bevor sie sich sofort wieder in die Meute stürzten.
Auf der anderen Seite der Theke entdeckte ich den Gorilla. Er wippte rhythmisch mit seinem haarigen Kopf und trank Cola mit einem langen Strohhalm. Immer wieder standen irgendwelche Typen neben ihm. Immer nur Jungs. Was mir gut in den Kram passte. Sie klopften ihm auf die Schultern oder auf den Rücken. Dann steckten sie die Köpfe zusammen und lachten. Immer wenn sich unsere Blicke trafen, senkte ich schnell den Blick und zuppelte an meinem Kostüm rum, als müsste ich es richten. Und als ich es wieder wagte, zu ihm hinüberzusehen, hob er seine Flasche und prostete mir zu. Ich überlegte, wer wohl in dem Kostüm steckte. Ich kam einfach nicht drauf. Etliche Jungs konnte ich ausschließen. Schließlich war der Affe ein Netter. Und so viele nette Jungs gab es bei uns in der Schule nicht. Ich zog mich in die dunkelste Ecke zurück, beobachtete das Treiben und versuchte, den Gorilla im Blick zu behalten. Stand ich etwa auf Affen? Ab und zu sah ich meinen Teufel die Tanzfläche absuchen. Lore wirkte genervt. Scheinbar war es ihr immer noch nicht gelungen, Thomas ausfindig zu machen.
Irgendwann lehnte sie neben mir an der Wand. Sie war sauer. Supersauer.
„Ich find den Idioten nicht!“, brüllte sie über die Musik hinweg.
„Vielleicht hat er es sich anders überlegt und ein anderes Kostüm angezogen?“
„Oder er ist draußen“, zischte sie. „Rumknutschen mit Mona.“
„Was?“, schrie ich zurück und deutete auf meinen Helm. „Du musst lauter …“
„Er ist bestimmt draußen und knutscht mit Mona rum!“, brüllte sie mir so laut ins Ohr, dass sich die Leute neben uns umdrehten.
„Dann geh halt raus und sieh nach“, schlug ich ihr vor.
„Ja wie denn? Ich hab keinen Stempel. Wenn ich rausgehe, komme ich nicht mehr rein.“
Daran hatte ich nicht gedacht. Alle erwünschten Gäste hatten einen Stempel auf dem Handgelenk. Und ohne Stempel konnte man zwar raus, kam aber nicht wieder rein.
„Dann kletter durchs Klofenster.“
„Geht nicht. Zu viel Betrieb.“ Lore nickte Richtung Mädchenklo, vor dem sich inzwischen eine kilometerlange Schlange gebildet hatte. Was mich nicht verwunderte.
„Und nun?“, fragte ich. „Sollen wir abhauen?“
„Von wegen! Irgendwann kommt er schon wieder rein und dann schnapp ich ihn mir.“ Lore marschierte Richtung Eingang, um Thomas abzufangen. „Los, komm mit!“, schrie sie und ich folgte ihr.
Im Eingangsbereich war es schön kühl und die Musik angenehm gedämpft. Die Kasse war bereits abgebaut worden. Nur noch zwei Zombies aus irgendeiner zehnten Klasse standen vor der Tür und kontrollierten genervt die Stempel der Leute, die wieder reinwollten. Ich würde die ja eher nicht nerven. Zombies fressen Gehirne.
An den beiden Kandidaten, die die Einlasser gerade lautstark anmeckerten, hätten sie sich allerdings nicht satt fressen können. Es waren die Spatzenhirne Sven und Justin, die lallend und schwankend mit den Zombies diskutierten, weil sie draußen bleiben mussten. Sie waren zu betrunken. Eine Weile zeterten sie noch rum, drohten und schimpften, dann verzogen sie sich beleidigt. Es war herrlich, das zu beobachten.
Obwohl Lore direkt neben mir stand, hatte sie nicht mitbekommen, wie Sven und Justin rausgeschmissen wurden. Ihr Kopf kreiste, ihre Blicke schossen mal da-, mal dorthin. Sie war unruhig, richtig hektisch.
„Beruhige dich. Du wirst ihn schon finden.“
Lore hörte mir nicht mal zu. Ich wusste gar nicht, ob sie mich überhaupt wahrnahm. Sie hatte einen totalen Tunnelblick und zog alles und jeden über ihren Scanner wie eine Kassiererin im Supermarkt die Einkäufe. Diedipp. Thomas Richter, 10. Klasse, Verkleidung: Leiche. Diedipp. Sabine Koschitzki, 9. Klasse, Gespenst. Diedipp. Holger Westlage, 10. Klasse, Axtmörder. Diedipp. Hakan Ilmaz, 9. Klasse, Mafioso …
„Lore, beruhige dich.“ Ich zupfte an ihrem Ärmel.
Sie sah zu mir runter.
„Ja, ja.“ Als die Tür sich wieder für einen Moment öffnete, warf sie einen suchenden Blick nach draußen. „Wo ist der Kerl?“
Zwei korpulente Typen kamen rein, die ich nicht kannte, und Lore sprach sie an: „Hey, ihr beiden Ninjas, habt ihr Thomas gesehen?“
Die Ninjas schüttelten ihre Köpfe und verschwanden.
„So was Blödes! Dann muss er doch drinnen sein. Los, wir gehen wieder rein!“
Ich trabte wie ein Schäfchen
Weitere Kostenlose Bücher