Jungs sind keine Hamster
bisschen mit meinen Beinen rum, hielt meinen Oberkörper dabei aber so gerade wie möglich, als ob ich einen Stock oder unsere steife Klassenlehrerin verschluckt hätte. Dann wechselte die Musik. Das Licht wurde gedämpft. Eine langsame Nummer fing an. Irgendeine Ballade. Die ersten Pärchen umarmten sich, hingen aneinander wie Magnete und wiegten sich gemeinsam. Und ich? Ich stand blöd da und starrte den Gorilla an, der ebenfalls ratlos wirkte. Dann zuckte er mit den Schultern und drückte mich fest an seine behaarte Brust. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich ließ mich einfach treiben. Meine Arme hingen schlapp herunter, während der Affe mich sanft hin und her wiegte. Wir drehten uns langsam um uns selbst. Auf einmal war es, als wären wir allein. Mein Hirn schloss ab. Machte Feierabend. Ich hörte nichts mehr und sah nichts mehr. Ich war nur noch Körper, nur noch Spüren. Irgendwann sah ich Lore. Sie scannte den ganzen Raum ab. Auf der Suche nach Thomas oder mir. Sanft drehte ich den Gorilla, bis er zwischen mir und Lore tanzte. Ich wollte nicht gestört werden. Von niemandem. Ich wollte nur eines: dass der Abend nicht endete. Ich wollte ihn ausdehnen, in den Winter, ins Frühjahr und in den Sommer hinüberretten. Ich wollte beim Gorilla bleiben. Von mir aus würde ich ihm auch in den Dschungel folgen, Affenexpertin werden, Bananen futtern und ihn nach Läusen absuchen. Ich war zu allem bereit.
Nur die Welt nicht. Und der Hausmeister des Beachclubs schon mal gar nicht. Die zombiegrau bekittelte Spaßbremse schaltete einfach die Beleuchtung an. Gefühlte tausend Neonröhren flackerten gleichzeitig auf. Das grelle Licht füllte den Raum schlagartig bis in die hinterletzte Ritze. Ich kniff die Augen zusammen. Fast alle Feiernden schrien gleichzeitig auf.
Besonders die Jungs in der Knutschecke waren stinkesauer bis heftig überrascht.
„Hey! Licht aus, ihr Schwachköpfe!“
„Tickt ihr noch ganz sauber?“
„Wie soll man denn so knutschen?“
„Ach, du bist das, Mila. Ich dachte, du wärest Jutta!“
„Arschloch!“
„Mila, bitte. Ich hab mich nur vertan! Lass uns weiterknutschen.“
Aber der Hausmeister kannte keine Gnade. Er ging zum DJ-Pult und drehte eigenhändig die Musik ab. Dann schrie er: „Feierabend! In fünf Minuten seid ihr alle draußen!“
Ich war überhaupt noch nicht dazu bereit, meinen Affen in die Freiheit zu entlassen. Und kam so ein Gorilla da draußen überhaupt alleine klar? In einer Stadt? Ich presste mich weiter fest an seine Brust und bemerkte gar nicht, dass er mich längst losgelassen hatte. Als ich es bemerkte, war es zu spät, um es nicht mehr peinlich zu finden.
Er klopfte mir auf die Schultern.
„Äh, du, die Musik ist aus.“
„Oh.“ Ich wich einen Schritt zurück. „Klar. Äh, sorry. War in Gedanken.“
„Tja.“ Der Gorilla sah sich um. „Das war es dann wohl.“
Auch ich ließ meinen Blick wandern. Ein Teil der Gäste drängte sich bereits vor dem Ausgang, andere suchten ihre Jacken und ein paar knutschten immer noch rum.
„Ja, stimmt. Das Licht ist auch an“, sagte ich, warum auch immer.
„Und die Leute gehen“, stellte der Affe das Offensichtliche fest.
Sollte es irgendwann mal einen Nobelpreis für Gespräche mit komplett überflüssigem Inhalt geben, hätten wir beide gute Chancen, ihn zu gewinnen.
„Und nun?“, fragte er mich.
„Weiß nicht.“ Ich tapste ein bisschen unsicher auf der Stelle, wusste nicht, wohin mit meinen Armen und Blicken. Weil wir beide irgendwas wollten. Nur nicht ganz genau wussten, was und wie wir dahin kommen sollten.
Auf einmal packte mich jemand an der Schulter. Lore.
„Komm, wir müssen los. Deine Mutter wartet draußen im Wagen.“
Ich erstarrte. Woher wusste sie, dass ich hier war?
„Was? Wieso? Sie denkt doch, dass ich bei dir …“
„Meine Mutter konnte uns nicht abholen“, fiel Lore mir ins Wort. „Emil hat Fieber. Und da hat sie wohl deine Mutter angerufen. Ja. Und nun ist sie da. Und sie ist sauer. Sehr sogar.“
Kein Wunder. Schließlich hatte ich behauptet, bei Lore zu pennen. Von der Party hatte ich ihr ja nicht berichtet. „Mist. Aber … aber …“ In meinem Kopf rasten die Gedanken kreuz und quer wie Schneeflocken in einem Schneesturm. Ich wollte hier nicht weg. Ich wollte aber meine Mutter auch nicht noch wütender machen.
„Was ist mit Thomas, hast du ihn gefunden?“, fragte ich zerstreut.
„Ja. Falscher Alarm. Er hat die ganze Zeit in der Küche geschuftet. Brötchen
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