Jungs sind keine Hamster
freudige Nachricht des Tages Marvin auf den Tisch. Bis auf Jette, die aufmerksam zuhörte, und Hannes, der mir zuzwinkerte, schien sich aber niemand für das junge Glück zu interessieren.
Genervt stopfte ich das Essen in mich rein und verschwand, so schnell es ging, wieder in mein Zimmer. Ich brauchte Ruhe.
Der nächste Schultag war eine echte Herausforderung. Schließlich durfte ich mir ja nichts anmerken lassen, sonst wäre Lore total sauer gewesen. Aber die hatte ohnehin andere Sorgen. In der großen Pause erzählte sie mir haarklein, wie grausam ihr gestriger Nachmittag verlaufen war. Und obwohl ich es wirklich versuchte, konnte ich mich nicht auf Lore und ihr Drama konzentrieren. Immer wieder suchte ich den Schulhof nach Marvin ab.
„Die konnte mich von Anfang an nicht leiden, die blöde Kuh!“, schimpfte Lore. „Die hat mich wie Dreck behandelt.“
„Was? Wer?“
„Die Mutter von Thooomas. Hab ich doch gesaaagt!“
Wenn Lore leicht gereizt war, zog sie die Vokale in die Länge.
„Ach ja, stimmt.“
„Die haben selbst nur so ein normales Reihenhaus, weißt du. Aber trotzdem führt die sich auf, als wäre sie die Königin von England.“ Lore schnaufte verächtlich.
„Aha.“
„Die macht einen auf piekfein. Und natürlich bin ich für die ein totaler Prolet.“
„Hm.“
„Dabei hab ich mir wirklich Mühe gegeben, mich anständig angezogen und gut benommen und so weiter. Aber es hat nichts gebracht. Die mag mich einfach nicht.“
„Aha.“
Eine Weile saßen wir stumm nebeneinander. Ich suchte immer noch nach Marvin und Lore sah zum Himmel hoch.
„Was soll ich jetzt bloß machen? Meinst du, es ist wichtig, dass die mich mag?“
„Hm.“
„Du denkst also auch, dass es wichtig ist?“
„Hm.“
Da entdeckte ich plötzlich Marvin bei den Fahrradständern. Mit Sven und Justin. Ab und zu sah er verstohlen zu mir rüber. Ich kriegte schon wieder Herzrasen.
„Was soll ich jetzt machen? Ihr beim nächsten Mal Blumen mitbringen?“, fragte Lore und sah mich an. Sie wirkte alles andere als glücklich, geschweige denn so kämpferisch wie sonst, wenn sich ihr jemand in den Weg stellte.
Ich hatte ihr nur noch mit halbem Ohr zugehört, sagte „Gute Idee“ und hoffte, einen Zufallstreffer gelandet zu haben.
„Hast du mir überhaupt zugehört?“
„Klar.“
Lore schaute mir in die Augen. „Du, Hannah, hast du vielleicht heute Nachmittag Zeit? Ich würde das gerne noch mal in Ruhe mit dir bequatschen. Thomas spinnt deswegen echt rum.“
Heute Nachmittag! Ich bekam heiße Wangen.
„Uh … Heute Nachmittag geht nicht“, sagte ich. „Familientag, weißt du?“
Der Schulgong läutete und befreite mich aus der peinlichen Situation. Sven und Justin ärgerten ein paar der Kleinen, indem sie ihnen die Jacken über den Kopf zogen. Marvin sah zu mir rüber. Und er gab mir ein kurzes Zeichen.
„Du, Lore, ich muss noch mal schnell zu meinem Fahrrad“, sagte ich und sprang auf.
„Wieso, was ist damit?“
„Luftpumpe. Die wird mir noch geklaut!“, rief ich, rannte los zu den Fahrradständen und ließ Lore alleine auf der Bank zurück.
Ich war noch nicht ganz bei den Fahrradständern angekommen, da lief Marvin plötzlich los und verschwand hinter einer Hecke. Was sollte das denn? Ich drehte mich noch mal zu Lore um, aber die Mauer, auf der wir gesessen hatten, war leer. Dann ging ich Marvin hinterher.
„Hier!“, hörte ich ihn leise rufen.
Kaum war ich da, nahm er meine Hand, zog mich vorsichtig zu sich und küsste mich. Ganz schnell, aber auf den Mund! Mein erster Kuss! Ich bekam weiche Knie, rote Wangen und in meinem Kopf rauschte es.
Zugegeben, meinen ersten Kuss hatte ich mir etwas anders vorgestellt, irgendwie romantischer, aber vielleicht würde der zweite dafür umso leidenschaftlicher werden. Ich musste zu Hause unbedingt Küssen üben! Marvin fummelte an seiner Jacke rum und lächelte nervös.
„Unser Date heute Nachmittag steht doch noch, oder?“, fragte er.
„Das fände ich toll“, antwortete ich und in meinem Bauch kribbelte es, als würden Millionen von Schmetterlingen darin herumflattern.
„Bei dir?“, fragte er.
„Lieber nicht. Geht es nicht bei dir?“, schlug ich vor, weil ich keine Lust darauf hatte, dass meine Mutter mir meinen womöglich zweiten Kuss mit Kakao, Keksen und peinlichen Bemerkungen versaute.
„Nee“, antwortete Marvin. „Meine Mutter hat heute Besuch. Was hältst du davon, wenn wir uns irgendwo in der Stadt treffen?“
„Im
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