Jungs sind keine Hamster
beide an und mussten lachen.
„Wenigstens verstehe ich nicht, was der da singt“, sagte Marvin.
„Ich glaube, den Gesang haben sie beim Zahnarzt aufgenommen. Der kriegt gerade eine Zahnwurzelbehandlung.“
„Oh. Jetzt ist der Gitarrist auf seine Gitarre gefallen.“
„Hoffentlich hat er sich nicht wehgetan.“
„Was spielt der Schlagzeuger da? Sollte das ein Solo sein oder versucht er, irgendwelche Insekten auf seinen Trommeln zu erschlagen?“
„Auf alle Fälle hasst der sein Instrument.“
Wir amüsierten uns prächtig, kringelten uns vor Lachen und waren dabei so abgelenkt, dass wir gar nicht mitbekamen, dass David, angelockt von seiner Musik, im Zimmer stand.
Als wir ihn bemerkten, war es zu spät. Er hatte alles gehört. David sah mich nur kurz an, drehte sich um und ging so leise, wie er gekommen war.
„Oh nein!“, rief ich, sprang auf und rannte David hinterher.
„David!“
David verschwand in seinem Zimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Ich klopfte vorsichtig.
„David, es tut mir leid. David?“ In seinem Zimmer blieb es still.
„David!“
Ich klopfte noch mehrmals, aber er rührte sich nicht.
„Scheiße.“
Es war ein furchtbares Gefühl, David so gedemütigt zu haben. Er war immer nett zu mir gewesen und hatte mich sogar gegen seine psychopathische Barbieschwester verteidigt. Und was machte ich? Stellte ihn vor Marvin bloß. Kacke.
Ich ging zurück in mein Zimmer, ließ mich in meinen Sessel fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Mist, Mist, Mist!“, fluchte ich.
„Und nun? Was sollen wir machen?“, fragte Marvin.
„Ich weiß es nicht“, antwortete ich. „Ich hab keine Ahnung.“
„Sollen wir uns gemeinsam entschuldigen?“, schlug Marvin vor.
„Das bringt nichts. Er hat sich eingeschlossen.“
Ich machte die Musik aus. Die Stille um uns herum kam mir wie eine Anklage vor: Du, Hannah, hast David, den du magst und der immer nett zu dir war, brutal gedemütigt, und damit einen Mitbewohner mehr, der dich hasst.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Marvin noch einmal.
„Ich weiß nicht. Vielleicht gehst du jetzt besser.“
Marvin rührte sich nicht.
„Sei mir nicht böse, Marvin, aber ich denke, ich sollte irgendwie versuchen, mich bei David zu entschuldigen, weißt du?“
Er war nicht gerade glücklich, dass ich ihn nach Hause schickte. Aber das war ich ja auch nicht. Marvin schnappte sich seine Jacke.
„Ich bring dich runter.“
An der Haustür verabschiedeten wir uns.
„Es tut mir leid, dass unser Date so mies lief.“
„Mir hat es Spaß gemacht. Also, bis dein Bruder David …“
„Mir auch“, sagte ich, weil es stimmte.
Marvin lächelte mich an. „Sehen wir uns morgen?“, fragte er.
„Klar.“
„Ich meine morgen Nachmittag. Nach der Schule.“
„Sehr gerne.“
Marvin umarmte mich. „Bis morgen!“ Dann hielt er noch ewig meine Hand fest und das fühlte sich total schön an.
„Was macht ihr denn da? Knutschen?“, schrie Jakob, drängelte sich an mir vorbei aus der Haustür und starrte Marvin an.
Marvin ließ meine Hand schnell los.
„Hau ab!“, zischte ich Jakob zu und erklärte Marvin: „Das ist mein nerviger kleiner Bruder!“
„Ich bin nicht nervig!“, nervte Jakob, und um das Elend zu vervollständigen, stand auf einmal auch noch meine Mutter neben uns.
„Jakob, what are you doing here? I told you not to … äh … stören your sister!“ Mutter grinste uns an, als hätte sie nicht alle Latten am Zaun. „So ist das, wenn man gleich zwei Satansbraten in die Welt setzt.“
Zwei Satansbraten? Ich konnte es nicht fassen. Warum müssen einen Mütter so oft blamieren?
„Ach ja, das junge Glück“, seufzte Mutter und starrte ungeniert von Marvin zu mir und wieder zurück. Marvin errötete in Rekordzeit und konnte nur noch irgendwas vor sich hin stammeln.
„Da hast du dir wirklich einen patenten jungen Mann ausgesucht. Gute Wahl, Hannah“, rundete Mutter die Katastrophe ab.
Ich schloss die Augen. Das war nicht passiert! Das war alles nicht passiert!
„Wir gehen dann mal rein und lassen die beiden Turteltauben alleine“, sagte meine Mutter zu Jakob.
„Och nö, ich will noch hierbleiben“, beschwerte sich Jakob, aber Mutter zog ihn ins Haus.
„Viel Spaß noch“, sagte sie zum Abschied.
Der war mir aber gründlich vergangen.
„Es tut mir leid“, sagte ich leise.
„Ach, macht doch nix“, antwortete Marvin. Er nahm wieder meine Hand in seine und umarmte mich. Dann ging er. Ich blieb
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