Jungs sind keine Hamster
bin dann wieder weg.“
Wie ein dusseliges Fragezeichen stand meine Mutter im Zimmer herum und fand keinen Platz für ihr blödes Tablett. Ich nahm es ihr ab.
„Ich nehme es, danke.“
Mutter zwinkerte mir zu und ich schob sie zur Tür raus. Dann setzte ich mich wieder zu Marvin aufs Bett. Wir starrten eine gefühlte Ewigkeit Löcher in die Luft. Irgendwie fiel uns gerade überhaupt nichts ein, worüber wir quatschen könnten.
„Magst du Fußball?“, fragte ich ihn.
„Nee, nicht so. Magst du vielleicht Basketball?“
„Nee. Nicht so.“
„Hm.“
„Hm.“
Wieder schwiegen wir. Ich wippte etwas mit den Beinen und dachte darüber nach, was ich tun könnte, um diese schreckliche Stille zwischen uns zu beenden. Dann drehte sich Marvin plötzlich zu mir und beugte sich vor. Sein Gesicht kam meinem immer näher. Mein Gott! Er wollte mich küssen! Das ging mir zu schnell. Ich sprang auf, Marvin kippte seitlich aufs Bett und knutschte ungewollt meine Klamotten von vorvorvorgestern.
„Wie wäre es mit Musik?“, fragte ich schnell, nur um irgendwas zu sagen und um irgendwas zu tun.
„Warum nicht?“, antwortete er, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte.
„Okay.“
Ich wühlte in meiner CD-Kiste nach der richtigen Musik. Ich war panisch. Was sollte ich nehmen? Was Schmalziges? Aber das hätte ihn vielleicht ermutigt, es noch mal mit einem Kuss zu probieren. Also lieber was Schnelles? Oder würde er das dann als klare Abfuhr auffassen?
„Was magst du denn hören?“, fragte ich verzweifelt.
„Was hast du denn?“
Marvin kam zu mir rüber, hockte sich neben mich und begann ebenfalls, meine CDs zu durchwühlen.
„Wie wäre es denn damit?“ Grinsend hielt er mir eine Bibi-Blocksberg-CD unter die Nase.
„Die ist von meinem Bruder“, beeilte ich mich zu sagen. Dummerweise lief mein Gesicht dabei rot an.
„Da steht dein Name drauf.“ Mit dem Finger tippte er auf eine handgeschriebene, krakelige Zeile, die mich ziemlich blöd aussehen ließ: Diese CD gehört Hannah. Finger weg!
„Gib her!“, rief ich und riss ihm die CD aus den Händen.
„Ey, reg dich nicht auf. Ich hatte die gleiche! Hex, hex.“
„Jetzt gehört die aber wirklich meinem kleinen Bruder.“
„Glaub ich dir. Was haben wir denn da?“ Er zog eine CD-Hülle aus der Kiste: „Kuschelrock 23“.
Ich dachte nur: Ach Gott. Dann doch lieber Bibi Blocksberg.
Die uralte Kuschelrock-CD hatte ich von Jette zu Weihnachten bekommen. Inklusive eines Deos. Das sollte witzig sein. Jette meinte, dass ich so vielleicht doch mal einen Freund finden könnte. Als ob ich stinken würde! Ich parfümiere mich halt nur nicht so exzessiv mit süßem Stinkzeug ein wie sie. Die hat einen derartigen Parfümverbrauch, dass bald weltweit die Vanille knapp wird.
Marvin musterte gründlich die Rückseite der Hülle und ließ sie aufschnappen. Er meinte es ernst!
„Hm, die CD ist nicht drin.“
„Gott sei Dank“, stöhnte ich auf.
„Was hast du gesagt?“
„Ach, schon gut.“
Wir wühlten weiter. Irgendwie spürten wir beide, dass die Auswahl der Musik echt wichtig war und dass wir unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wie der Nachmittag weiter verlaufen sollte. Beide begannen wir regelrecht, um die Wette zu suchen. Er kramte hektisch nach was Romantischem und ich nach etwas ganz und gar Unromantischem.
„Hier! Das nehmen wir!“ Triumphierend hielt ich eine selbst gebrannte CD hoch.
„Was ist denn das?“, fragte Marvin, sichtlich enttäuscht. „Fröhliche Pessimisten – Alles wird Scheiße. Gut so“, las Marvin vor. „Fröhliche Pessimisten? Von denen hab ich noch nie was gehört.“ Marvin nahm sich die Hülle und begutachtete sie skeptisch. „Sind die aus Berlin?“
„Nee, die sind von hier. Das ist die Band von David, meinem Stiefbruder.“
„Wow. Wusste gar nicht, dass der in einer Band spielt.“
„Doch, doch. Und die sind total gut.“
„Was spielen die denn so?“, fragte Marvin.
„Echte, handgemachte Musik! Nicht so ’ne Plastikpopscheiße, weißt du“, sagte ich und dachte: Die spielen auf gar keinen Fall so, dass man dazu knutschen will!
Ich legte die CD rein, drückte auf Play und drehte die Lautstärke auf. Und ziemlich schnell wieder runter. Ich spielte zwar selbst kein Instrument und hielt mich auch für eher unmusikalisch, aber man musste wahrlich kein Experte sein, um zu hören, dass bei der Band nichts zusammenpasste.
Marvin warf sich aufs Bett und ich setzte mich neben ihn. Wir sahen uns
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