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Jungs sind keine Hamster

Jungs sind keine Hamster

Titel: Jungs sind keine Hamster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmeißer
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stand dann Hannes bei mir im Zimmer. Auch er redete auf mich ein, aber immerhin versprach er mir, bei meiner Mutter ein gutes Wort für mich einzulegen.
    „Das kommt schon wieder in Ordnung!“, sagte er noch. Dann war er weg. Ich rührte mich nicht, blieb einfach liegen, bis ich eingeschlafen war. Lore hatte sich nicht gemeldet. Marvin auch nicht.

    Es gibt Tage, da finde ich alles lustig. Die albernsten Witze, die peinlichsten Geschichten, sogar Gunnar Töft, genannt Töfte, den schlechtesten Klassenclown, seit es Schulen gibt. Und dann gibt es Tage, da finde ich nichts lustig. Gar nichts. Alles ist großer Mist und zum Heulen. So ein Tag drohte dieser zu werden.
    Auf dem Schulhof wusste ich nicht, wohin mit mir. Sollte ich Marvin und Lore schon an den Fahrradständern abfangen oder lieber woanders auf sie warten? Ihnen Platz bieten, mir aus dem Weg zu gehen oder Anlauf zu nehmen, um mir stürmisch um den Hals zu fallen, so wie man es in Filmen oft sieht. Wo sich zwei Menschen vor Liebe fast über den Haufen rennen, nur weil sie keine Sekunde länger warten können, sich zu umarmen, zu küssen oder sich wieder zu versöhnen.
    Letzte Nacht war mir auf einmal klar geworden, dass ich wahrscheinlich die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben auf einen Schlag verloren hatte. Denn wer sagte denn, dass Marvin mich noch wollte? Wir hatten zwei Dates gehabt und beide hatten damit geendet, dass ich einem Menschen wehgetan und ihn weggeschickt hatte. Normal war so was ja nicht.
    Als Erstes trudelten Sven und Justin ein. Als sie an mir vorbeimarschierten, zischten sie mir Drohungen zu. Aber ich hörte nicht so genau hin, denn hinter ihnen sah ich Marvin kommen. Er hatte seine Tasche über die Schulter geworfen, die Hände mal wieder in den Hosentaschen vergraben und schlurfte zu mir.
    Als er vor mir stehen blieb, wusste ich nicht, was zu tun war. Sollte ich ihn berühren oder umarmen? Seine Hände nehmen? Ich war ein Schwarm Bienen, den man in ein Glas gesperrt hatte. Es kribbelte überall und es fiel mir extrem schwer, einfach nur so dazustehen, ohne was zu machen.
    „Wie geht es dir?“, fragte er und ein Lächeln huschte über sein hübsches Gesicht.
    „Gut, ganz gut“, log ich.
    „Wie ging es gestern mit euch beiden weiter?“
    „Sie muss nachdenken.“
    „Kein Wunder, oder?“, sagte Marvin und ich nickte dem Boden zu.
    „Kommst du endlich?“, schrie Justin vom Haupteingang. Marvin streichelte meine Schulter. Kurz und hektisch, als wäre das etwas Falsches.
    „Das wird schon. Kopf hoch“, sagte er noch, bevor er zu seinen Freunden lief. Das wird schon. Alles wird gut. Blablabla.
    Ich setzte mich auf die Stufen unserer Aula, einem Nebengebäude, in dem Veranstaltungen stattfanden und der Schulchor probte. Der Schulgong forderte uns auf, unverzüglich die Klassenräume aufzusuchen. Ich blieb sitzen und wartete weiter. Lore kam nicht. Wahrscheinlich saß sie schon im Unterricht. Ich sah auf meinem Handy nach, ob sie mir vielleicht eine SMS geschickt hatte. Irgendwas Erlösendes:
    Es ist alles in Ordnung. Ich habe dir verziehen. <3
    Aber mein SMS-Eingang war leer. Es war 8:15 Uhr. Ich musste zu Bio.
    Frau Berscheidt, unsere Bio-Lehrerin, applaudierte mir höhnisch, dass ich es doch noch in den Unterricht geschafft hatte. Die Klasse lachte. Nur Lore lachte nicht mit. Sie guckte ernst und würdigte mich keines Blickes. Offenbar hatte ich sie draußen verpasst. Sie saß neben Jutta, dem zweitunbeliebtesten Mädchen der Klasse, die ihr Glück kaum fassen konnte, dass sich mal jemand neben sie gesetzt hatte. Der Platz neben meinem war verwaist. Lore hatte sich einen neuen gesucht. Weit weg von mir.
    Eigentlich mochte ich Bio sehr. Es war eines der wenigen Fächer, in dem ich im oberen Drittel unserer Klasse locker mitspielen konnte. Ich war keine überragende Schülerin, aber alles andere als eine schlechte. Doch heute konnte ich dem Unterricht nicht folgen und wollte es auch gar nicht. Die menschliche Atmung konnte mich mal. Ich spürte am eigenen Leib, dass sie nicht sonderlich gut funktionierte, wenn einem eine Last auf der Brust drückte.
    Lore sah während des Unterrichts nicht einmal zu mir rüber. Sie passte auf, notierte sich, was Frau Berscheidt auf die Tafel schrieb, in ihren Block und beteiligte sich sogar am Unterricht. So was tat sie sonst nie. Entweder wollte sie demonstrieren, dass es ihr prima ging, oder sie versuchte nur so zu tun, als ob sie mich abgehakt und damit keinerlei Probleme hatte. So

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