Junimond (German Edition)
diese kleine Karte auch für ein Geräusch machen? Stella schloss die Augen. Und dann hörte sie doch etwas. Seltsame schleichende Geräusche, dann ein leises Quietschen. Als würde ein Fenster geöffnet. Rascheln im Gebüsch. Und was sie am meisten beunruhigte. Ein Atmen.
9
Stella hielt die Luft an, bis sie Angst hatte, in Ohnmacht zu fallen. Sie musste sich beruhigen. Seit wann war sie so ängstlich? In Kreuzberg war sie überall herumgelaufen, auch nachts und hatte sich nie bedroht gefühlt oder Angst gehabt. Warum dann hier in der Einöde?
Sie zog sich vorsichtig hoch und schlich zum Fenster. Alles war dunkel, viel dunkler als in der Stadt. Und dann ging ihr Zimmer auch noch nach hinten raus, auf den See und es gab keine Straßenlaternen. Was war, wenn da wirklich jemand herumschlich? Ihre Mutter war noch unterwegs, sie musste die S-Bahn zurück nehmen, das konnte dauern. Sie atmete tief durch. Sie musste, wollte sich beruhigen. Oder es war nur ein Tier. Hier, wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagten, gab es bestimmt Tiere. Massenhaft. Sie beugte sich weiter aus dem Fenster, atmete die Nachtluft ein, die nach feuchter Erde und Blüten roch. Und hörte ein Husten. Tiere husteten nicht. Hunde manchmal, aber nicht so. Ihr Herz raste. Dann war also doch jemand hier im Garten oder schlimmer - auf dem Weg ins Haus.
Ein Einbrecher.
Die Polizei anrufen? Aber wie, ohne Simkarte? Und ihr Verhältnis zur Polizei war sowieso nicht besonders gut. In Kreuzberg hielten Polizisten einen nachts auf der Straße an und verlangten Bußgeld, weil man keine Beleuchtung am Rad hatte, sie nahmen die coolen Freunde fest, die Graffitis an Wände sprühten oder crashten die Partys, die sie in leerstehenden Häusern oder Parkhäusern veranstalteten. Sie waren also nicht unbedingt die Freunde und Helfer, die sie vielleicht für Leute waren, die in Reihenhäusern wohnten und sich selbst als unbescholten bezeichneten. Nein, Stella war tough und vollkommen in der Lage, die Sache alleine zu regeln.
Schnell analysierte Stella die Lage. Im Haus war es dunkel und sie kannte sich noch nicht sehr gut aus. Ein Nachteil. Aber das galt vermutlich auch für den Einbrecher. Und wenn sie es recht bedachte, dann konnte derjenige, der in dieses Haus einstieg, nicht wirklich die Absicht haben, etwas zu rauben oder jemanden zu überfallen. Vermutlich hielt er das Haus für leerstehend und suchte nur einen Platz zum Schlafen. Nachts wurde es draußen kühl.
Stella schloss das Fenster, setzte ihren Akku wieder in ihr Handy und schaltete das Display an. In welcher Kiste war ihr Feldhockeyschläger? Nur für alles Fälle. Einen armen Obdachlosen brauchte sie nicht zu schlagen, aber mit einem aggressiven Junkie konnte die Sache schon anders aussehen. Sie fand den Schläger bei den Tüten mit ihrer Kleidung. In München hatte sie Ballettkurse besucht, in Frankfurt Hockey gespielt und in Berlin Karate trainiert. Sie war also bestens vorbereitet.
Vor ihrem Zimmer lauschte sie. Stille. Hatte sie sich das alles nur eingebildet? Mit dem Hockeyschläger in der einen und dem leuchtenden Handy in der anderen Hand schlich sie die Treppe herunter, warf einen vorsichtigen Blick in die Küche, das Bad, das Wohnzimmer. Nichts. Doch dann hörte sie ein neues Geräusch. Ein Instrument? Spielte da jemand – Gitarre? Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Auf einmal war alles klar. Eine Party wurde vorbereitet. Das kannte sie doch. Je verrückter der Ort, desto besser und diese alte leerstehende Villa war ideal. Aus dem Lächeln wurde ein breites Grinsen. Waren das vielleicht sogar Freunde von ihr? Dana war das zuzutrauen, sie hatte das Haus bestimmt sofort mit Streetview ausgecheckt. Vielleicht war sogar Tim, der Skaterboy, gekommen. Fast hätte Stella losgejubelt. Natürlich hatte sie niemand angerufen, alles war streng geheim. Und wo? Im Keller!
10
»Alles klar soweit?«
(Fluch der Karibik I)
Eine Stunde vorher
Mädchen waren merkwürdig, dachte Ares. Warum musste man ein Zimmer ändern, das vollkommen in Ordnung war? Ein wenig kitschig vielleicht, aber wen störte das?
Sie saßen zu dritt auf Olivias Bett und betrachteten das Ergebnis ihrer Malaktion. Ares erinnerte die Sache an den Nachmittag, als sie beschlossen hatten, die Wand im Essraum des Kindergartens mit Bildern zu verschönern. Eigentlich sollten sie nach dem Essen draußen sein und spielen. Frische Luft und so. Doch dann war Olivia auf diese Idee gekommen. Und sie hatten natürlich mitgemacht. Nick
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