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Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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Spaziergang. Asina öffnete ihnen. Mit ihrem russischen Akzent fragte sie, ob Fräulein Julie sie auch erwartete und ließ sie erst dann ein. Sie war neu und noch vorsichtig. Sie ersetzte die letzte Haushaltshilfe, die sich in den Gärtner verliebt hatte, worauf beide sehr bald kündigten. Seit Olivias Mutter ausgezogen war, was schon so lange her war, dass beide Jungs sich nicht mehr an ihr Gesicht erinnerten, hatten sich Kindermädchen, Au-pair-Mädchen, Gärtner, Haushälterinnen und Köchinnen bei Olivia die Klinke in die Hand gegeben und mit der Zeit hatten sich Nick und Ares daran gewöhnt, regelmäßig von jemand anderem hereingelassen zu werden, dem sie erklären mussten, dass sie Olivia wesentlich besser kannten, als jede Hausangestellte.
    Olivia wohnte im linken Flügel des Hauses, im schönsten Zimmer mit Blick auf den See. Als Nick zum ersten Mal dieses Haus betreten hatte, war er drei gewesen und sich sicher gewesen in einem Schloss zu sein. Das war kein normales Haus, weder von außen, noch von innen. Und obwohl sich Olivias Zimmer über die Jahre verändert hatte, hatte es für ihn immer wie der Schlafraum einer Prinzessin ausgesehen. Zarte Farben, weiße Möbel, ein Himmelbett. Nick spürte, wie ihm heiß wurde, wenn er an dieses Zimmer, das Bett und Olivia dachte.
    Sie klopften höflich an, doch da keine Antwort kam, öffnete Ares einfach die Tür und Nick entfuhr ein erstaunter Ton. Etwas zwischen sehnsüchtigem Verlangen und heiserem Gekrächze. Da lag sie, Olivia, auf ihrem Himmelbett, hinter der Folie, wie Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg oder Dornröschen. Schlafend, verletzlich, wunderschön. Sah Ares das nicht? Wer konnte sich in diesem Augenblick nicht in sie verlieben?
    »Hey, guck mal, sieht aus wie ein Sauerstoffzelt auf der Intensivstation!«, sagte Ares und grinste Nick fröhlich an. »Und die Möbel sind auch schon verschoben.«
    Nein, Ares sah das nicht.
    »Hey, Olli«, rief Ares und zog die Folie beiseite. »Wir sind da, was sollen wir machen?«
    Olivia blinzelte und schlug müde ihre tiefblauen Augen auf.
    »Wie spät ist es?«
    »Gleich fünf. Sorry, wir haben noch PSP gespielt und die Zeit vergessen.«
    Was Nick anging, stimmte das nicht. Er hatte die Zeit immer im Auge gehabt, aber er hatte Ares nicht drängen wollen. Wie hätte das ausgesehen?
    »Ja, was sollen wir machen?«, fragte Nick geschäftig und versuchte seine Aufregung zu überspielen.
    Olivia streckte ihre langen Arme und gähnte undamenhaft. Sie zeigte auf die Wände mit den sündhaft teuren Laura Ashley Tapeten.
    »Erstmal alles rot streichen. Die Farbe steht da drüben.«

8
    »Ich werde dich nicht töten, aber ich muss dich auch nicht retten.«
    (Batman Begins)
    Sonntagabend
    Stella fand es seltsam, in ein Haus einzuziehen, das schon lange niemand mehr bewohnt hatte. Und dabei sah es so aus, als ob es gar keinen Auszug gegeben hatte, sondern jemand einfach weg gegangen war und nach ihm die Möbel und Teppiche verschwunden waren. Die Räume waren staubig, die Fenster blind, als läge das Haus seit Jahrzehnten in einem Dornröschenschlaf. Ihr Zimmer war im zweiten Stock. Sie betrachtete die vergilbten, geblümten Tapeten, die braun-rot gestrichenen Fußbodenbretter, die grau gewordenen und verschlissenen Vorhänge, die an altmodischen Gardinenstangen hingen. Sie ging zum Fenster öffnete es weit und sah hinaus. Die perfekte Aussicht. Der See war in ein goldgelbes Licht getaucht und die Vögel zwitscherten, als würden sie hierher gehören, und zwar nur hierher. Die Gegend mochte seltsam sein, aber dieses Haus, dieser Ort, war einmalig. Wunderschön. Stella gestand sich das widerwillig ein, denn eigentlich war es Zeit für das große Selbstmitleid. Aber das kannte sie ja. Sie war in Frankreich geboren, in München in den Kindergarten gegangen und in Frankfurt auf die Grundschule. Berlin hatte ihr bis jetzt am besten gefallen und seit sie dort wohnten, wollte sie nicht mehr weg. Ihr gefiel, dass die Leute in Berlin nüchtern waren und die Worte nicht weiter verniedlicht wurden, dass es keine Häusle und Sträuchle gab und dass die Stadt cool war, eine richtige Großstadt. Der Zug nach Norden war für sie beendet. Und jetzt? Saß sie wieder auf dem Land. Allein, denn ihre Mutter musste den Bus zurückbringen.
    Es sind nur dreißig Minuten bis nach Berlin Mitte , hatten sie alle gesagt und theoretisch mochte das stimmen. Potsdam konnte man als einen Vorort von Berlin betrachten, aber praktisch besaß sie keinen

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