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Junimond (German Edition)

Junimond (German Edition)

Titel: Junimond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Bongard
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Führerschein und musste hier zur Schule gehen und saß also fest.
    Sie angelte nach ihrer abgewetzten Ledertasche, ein Geschenk ihres Vaters, nahm ihren Laptop heraus und schaltete ihn ein. Sie konnte nur hoffen, dass der Akku noch eine Weile reichte, denn die Steckdosen in diesem Zimmer sahen nicht sehr vertrauenserweckend aus.
    Die Batterie läuft mit Reservestrom .
    Das war wie eine fiese Warnung: Achtung, Leben gleich zu Ende .
    Aufladen! Aber wie? Womit?
    Facebook. 312 Freunde. Zum Glück hatte sie wenigstens einen mobilen Internetzugang.
    Bin angekommen, irgendwo im Niemandsland und einsam .
    Sie wartete einen Moment. Die meisten waren jetzt online, dass sah sie bei Skype, obwohl sie keine Lust hatte zu skypen, sicher würde sie sofort vor der Kamera losheulen.
    Nach einer Viertelstunde waren sechs Gefällt mir eingetroffen. Gefällt mir? Nein, dachte Stella, gefällt mir nicht. Sie klickte sich auf die Seiten ihrer Freunde und las, dass sie am Samstag auf Konzerte gegangen waren, ins Kino, sich verabredet, ein tolles Wochenende gehabt hatten. Natürlich. Das Leben ging weiter. Auch ohne sie. Sie schniefte verletzt. Was hatte man schon von dreihundert virtuellen Freunden?
    Vielleicht war es wirklich wieder so weit. Ein Neuanfang. Und dann war schnell und schmerzlos besser, als es ewig in die Länge zu ziehen. Sie klickte auf den Administrationsbutton ihrer Seite und löschte ihren Account. Dies ist nicht rückgängig zu machen. Für einen Moment war sie geschockt, doch dann erleichtert. Das waren ja nicht die wirklichen Freunde, die sie gerade gelöscht hatte. Nein, nein. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und sah auf das Display. Richtige Freunde riefen an oder schickten SMS. Genau. Nur gab es keine neuen Nachrichten. Keine einzige. Auch als sie es zum zweiten Mal kontrollierte.
    Stella schickte eine SMS an ein paar Freunde und ging dann zu einem ihrer Umzugskartons, die über das Zimmer verteilt waren, öffnete einen und starrte einen Moment auf die Bücher. Manchmal, wenn sie verletzt war oder wenn niemand verstand, was in ihr vorging, dann holte sie sich eines ihrer Lieblingsbücher und schlug es auf. Zwischen den Zeilen eines Buches war sie sicher.
    Stella schloss den Karton wieder. Sie wollte sich nicht verkriechen. Diesmal würde alles anders sein. Denn diesmal war es ihr Neuanfang.
    Es gab noch einen weiteren Karton mit Fotoalben und Schulbüchern. Wozu hatte sie den überhaupt mitgeschleppt? Die alten Schulsachen konnte sie nun wohl wegwerfen. Die neue Schule war ein privates Filmgymnasium. Ihr Vater hatte es vorgeschlagen. Sie klappte das Fotoalbum auf und betrachtete das erste und einzige Foto, auf dem sie zusammen mit ihm abgebildet war. Sie war gerade geboren und lag in den Armen ihrer Mutter. Hausgeburt natürlich. Ihr Vater strahlte in die Kamera, während ihre Mutter das Kind betrachtete. Das sagte eigentlich schon alles. Und wenig später drehte ihr Vater einen Dokumentarfilm in Tibet und dann noch einen in China und war seitdem nicht mehr sehr oft bei seiner Familie aufgetaucht. Stella spürte einen Kloss im Hals. Dabei verstand sie das schon oder wollte es zumindest. Natürlich konnte ein kleiner verschrumpelter Mensch nicht mit tibetischen Mönchen konkurrieren.
    Sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich an einen der Umzugskartons, roch den feuchten, leicht moderigen Geruch. Sie schlang die Arme um ihre Beine und starrte in die Dämmerung und seufzte. In diesem Raum gab es noch nicht einmal eine nackte Glühbirne zum Anknipsen.
    Sie war im Sitzen kurz eingenickt und draußen war es nun ganz dunkel. Stella blinzelte auf das Display ihres Handys, ein kühles Licht.
    Keine Nachricht. Kein Anruf. Was war los?
    Ihr schossen Tränen in die Augen.
    War ihr Handy kaputt? Gab es hier keinen Empfang?
    Doch alle Empfangsbalken leuchteten auf. Kein Akku mehr? Dann wäre das Licht aus. Jetzt liefen die Tränen und schillerten silbern, als sie auf das Display tropften. Warum spürte niemand, dass sie einen Anruf brauchte, eine Aufmunterung? Sie biss sich auf ihre Unterlippe und schloss die Augen, zählte langsam bis drei. Dann drehte sie das Handy um, öffnete die Rückseite, nahm den Akku heraus und tastete nach der Simkarte. Zog sie aus dem Handy, legte sie auf ihren Daumen und betrachtete sie im Mondlicht. Eine kleine Plastikkarte, die so viele Informationen enthielt.
    Sie hob die Hand, spannte ihren Mittelfinger und schnipste die Karte aus dem Fenster. Einfach so. Lauschte. Doch nichts. Was sollte

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