Jupiter
die blutroten Tulpen in der zierlichen Vase ließen die Köpfe hängen. Der Direktor gab sich schroff und geschäftsmäßig. Es schien Grant, dass Wo noch immer vor Wut schäumte und kaum an sich halten konnte. Er blickte zurück auf Grants erste Tätigkeit als Hilfslaborant und auf seine neuere Arbeit mit Muzorawa im Labor für Flüssigkeitsdynamik.
Grant saß steif und mit unbewegter Miene auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch des Direktors.
»Alles in allem«, fasste Wo zusammen und blickte von dem Bildschirm auf, der Grants Personalakte zur Schau stellte, »einigermaßen akzeptable sechs Monate. Wenigstens haben Sie keine größeren Fehler gemacht.«
Grant fragte sich, welche kleineren Fehler der Direktor in seinen Unterlagen sah.
»Nun, einige Veränderungen sind angebracht«, sagte der Direktor nach kurzer Pause.
»Veränderungen, Dr. Wo?«, fragte Grant besorgt.
»Zunächst einmal wird Dr. Muzorawa mit dem Training und den Vorbereitungen für die bevorstehende Tiefenmission vollauf beschäftigt sein und als Ihr Studienberater und Betreuer ausfallen, bis die Mission beendet ist.«
Grant sank der Mut.
»Darum werde ich seine Stelle als Ihr Tutor einnehmen. Sie werden hier als Fernstudent der Universität Kairo weiterarbeiten. Die Verwaltung der Universität hat mir eine Gastprofessur eingeräumt.«
»Sie werden mein Tutor sein?«, fragte Grant. Seine Stimme ging unwillkürlich eine Oktave hinauf.
»Haben Sie Einwände gegen solch eine Lösung?«
»O… o nein, Sir. Keineswegs«, log Grant. Der Gedanke, Dr. Wo in einer weiteren Kapazität über sich zu haben, erfüllte Grants Seele mit Verzweiflung, aber er wusste, dass es nicht zu umgehen war.
»Gut«, sagte Wo.
»Tatsächlich bin ich geschmeichelt, Sir«,hörte Grant sich sagen. Es galt, das Beste aus einer Situation zu machen, über die er keine Macht hatte.
Wo nickte, doch seine düstere Miene hellte sich nicht auf. »Die zweite Veränderung«, fuhr er fort, »mag für Sie weniger angenehm sein. Ich brauche jemanden, der mit Sheena arbeitet.«
»Mit dem Gorilla?«
»Ja. Ihr Intelligenzniveau hat sich abgeflacht. Jede Zunahme an Intelligenz wird eine chirurgische Öffnung des Schädels erfordern.«
»Oh«, sagte Grant. »Das würde schwierig sein, nicht wahr?«
»Keineswegs. Das Tier kann ruhig gestellt und der chirurgische Eingriff in vollkommener Sicherheit vorgenommen werden. Die Rekonvaleszenzphase ist es, die uns vor Probleme stellen könnte.«
Grant stellte sich die hundert Kilo schwere Sheena mit verbundenem Schädel und schlimmen Kopfschmerzen vor. Es war kein angenehmer Gedanke.
»Wir werden jemanden brauchen, der sich nach dem Eingriff um Sheena kümmert, jemand, den sie nicht mit dem medizinischen Personal in Verbindung bringen wird. Einen Freund, sozusagen.«
»Mich?«
»Sie. Sie werden täglich wenigstens zwei Stunden mit Sheena verbringen. Sie werden ihr Früchte und neues Spielzeug geben. Das Spielzeug wird aus Lernspielen und entsprechenden Geräten bestehen, versteht sich; von solchen Dingen ist genug vorrätig.«
»Aber mein Studium…«
»Diese Pflicht werden Sie zusätzlich zu ihrer Arbeit in der Flüssigkeitsdynamik übernehmen. Sie wird täglich zwei Stunden von Ihrer Freizeit beanspruchen, nicht mehr.«
Ich habe keine Freizeit, murrte Grant zu sich selbst. Ich verbringe meine wachen Stunden alle mit der Arbeit an der Dynamik dieses verdammten Ozeans. Aber er sagte kein Wort.
»Denken Sie daran, Ihre Aufgabe ist es, sich mit Sheena anzufreunden, sodass sie imstande sein wird, nach dem gehirnchirurgischen Eingriff mit Ihnen als einem vertrauten Gefährten umzugehen.«
Wundervoll, dachte Grant. Ein postoperativer Gorilla wird mir das Genick brechen.
Wenn der Direktor Grants Niedergeschlagenheit oder Furcht spürte, ließ er es sich nicht anmerken. »Haben Sie irgendwelche Fragen?«, erkundigte sich Wo verdrießlich.
Grant legte unbewusst die Fingerspitzen zusammen, dann ließ er die Hände rasch in den Schoß sinken, als ihm klar wurde, dass es aussah, als wollte er beten – oder den Direktor anflehen.
»Ja, Sir, ich habe eine Frage.«
Wo nickte knapp.
»Sheena… die Delphine… weshalb untersuchen wir ihre Intelligenz? Wenn ich es richtig sehe, ist die Erforschung Jupiters und seiner Monde Zweck dieser Forschungsstation. Warum verwenden wir Zeit und Energie auf die Intelligenz dieser Tiere?«
Dr. Wos Gesicht nahm den erbarmungslosen Ausdruck eines Lehrers an, der entschlossen ist, seinen begriffsstutzigen
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