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Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht

Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht

Titel: Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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muss schneller bearbeitet werden als die anderen Verfahren, in denen es nur um Geld geht und niemand Schaden nimmt, wenn das Verfahren einige Wochen dauert. Wenn aber jemand einen «Antrag auf eine einstweilige Verfügung» stellt, dann hat er ein eiliges Problem, wie hier Marie Müller. Sie leidet unter dem Verhalten ihres geschiedenen Ehemannes, und es besteht die Gefahr, dass sie krank wird. Daher entscheidet der Richter sofort – eine Eilentscheidung.
    Richter Paul-Sebastian Sommer gibt dem Antrag von Marie Müller statt. Er verbietet Paul Müller, an Marie Müller SMS zu schicken oder sie anzurufen. Er verbietet ihm weiter, sich Marie Müller auf weniger als 250 Meter zu nähern. Wenn sich Paul Müller nicht daran hält, kann der Richter ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro verhängen. Kann Paul Müller dieses Geld nicht bezahlen, kann der Richter gegen ihn ersatzweise Haft verhängen. Wenn Paul Müller meint, die Entscheidung des Richters sei ungerecht und er habe seine geschiedene Frau gar nicht belästigt, kann er sich sofort beschweren. Dann findet sehr bald eine mündliche Verhandlung statt, in der beide Seiten ihre Meinung darlegen können. Aber bis dahin muss sich Paul Müller an die vorläufige Eilentscheidung des Richters halten.
4. Der Richter spricht «im Namen des Volkes»
    Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. Jeder, der Interesse hat, kann bei einer Gerichtsverhandlung zuschauen. Er kann jederzeit den Verhandlungssaal betreten und muss noch nicht einmal anklopfen. Er kann auch jederzeit wieder gehen, wenn er die Verhandlung langweilig findet. Gerichtsverhandlungen sollen nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Jeder Bürger soll die Möglichkeit haben, sich ein Bild von der Arbeit des Richters zu machen. Schließlich spricht der Richter das Urteil hinterher «im Namen des Volkes».
    Erna Meier ist seit vielen Jahren Rentnerin. Sie liebt es, zu Gericht zu gehen, um zu sehen, was da so los ist. Sie läuft durch die Gänge des Gerichts. Vor jedem Gerichtssaal hängt ein Zettel, auf dem die Verfahren stehen, die heute verhandelt werden. «Bergmann gegen Schultze» steht da und «Hubertus & Co. gegen Michael Mohr». Um zu sehen, ob sich hinter den Namen interessante Fälle verbergen, betritt sie den Gerichtssaal. Richter Sommer sagt gerade zu einem Zeugen, dass er die Wahrheit sagen muss. Erna Meier bleibt eine Weile. Es geht um einen Verkehrsunfall. Der Zeuge sagt, er weiß nicht, ob das Auto blau oder weiß gewesen sei. Vielleicht sei es auch rot gewesen. Es sei schon zu lange her. Erna Meier findet den Zeugen langweilig und verlässt den Verhandlungssaal. Vielleicht ist im nächsten Gerichtssaal mehr los.
    Dass Gerichtsverhandlungen nicht im Geheimen durchgeführt werden, ist eine ganz wichtige Regel. Und doch gibt es davon eine Ausnahme: Ist der Angeklagte unter 18 Jahren, dann ist die Gerichtsverhandlung «nicht öffentlich». Sie findet also hinter verschlossenen Türen statt. Der jugendliche Angeklagte soll keine Sorge haben, dass seine halbe Schulklasse kichernd hinten im Zuschauerraum sitzt, während er dem Gericht erklärt, warum er stockbesoffen mitten in der Nacht verschiedene Hauswände besprayt hat und dass er außerdem unter Depressionen leidet, weil sein alkoholkranker Vater ihn regelmäßig schlägt. Hier geht das Interesse des jungen Menschen auf eine geheime Behandlung seiner Straftat und seiner Probleme vor.
5. Die Göttin Justitia und die Neutralität des Richters
    Vielleicht hast du – etwa auf einem Gerichtsgebäude – schon einmal eine Figur gesehen, deren Augen verbunden sind und die eine Waage in der Hand hält. Das ist die Justitia, die römische Göttin der Gerechtigkeit. Ein Richter muss seine Entscheidung treffen, ohne sich die Personen des Rechtsstreits anzusehen. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter den Kläger, den Beklagten oderden Angeklagten nett oder doof findet. Der Richter soll «blind» gegenüber allem sein, außer gegenüber dem Recht. In die eine Waagschale legt der Richter die Argumente, die für eine Partei sprechen, in die andere die, die gegen sie sprechen. Die Waage zeigt dann das Ergebnis an.
    Was schon im alten Rom galt, gilt auch heute: Wer nicht neutral ist, hat als Richter nichts zu suchen. Er ist befangen.
    Verena Schlegel ist Strafrichterin. Anders als Paul-Sebastian Sommer entscheidet sie nicht, wer Recht hat, wenn sich zwei Bürger streiten, sondern darüber, wie ein Angeklagter zu bestrafen ist, wenn er etwas Verbotenes

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