Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
also nicht nur für das richtige Ergebnis eines Rechtsstreits verantwortlich. Er hat auch für den richtigen Weg dorthin zu sorgen. Es ist wie beim Fußballspiel: Bei jedem Foul muss der Schiedsrichter pfeifen. Und wenn deine Mannschaft am Ende 0:1 verliert, dann habt ihr zwar verloren, aber ihr habt wenigstens ein faires Spiel gehabt.
2. Der gesetzliche Richter
Der Richter kann sich seine Fälle nicht aussuchen. Er kann sich nicht die heraussuchen, die er interessant findet, und die anderen, langweiligen oder besonders schwierigen Fälle den anderen Richtern überlassen. Und der Bürger kann auch nicht bei einem befreundeten Richter anrufen und sagen: «Ich hab da einen Streit mit einer Firma. Die werde ich demnächst verklagen. Sieh dochzu, dass du die Sache auf den Tisch bekommst.» Niemand hat Einfluss darauf, welcher Richter welchen Streit bekommt. Die Verteilung der Verfahren erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Ein Richter kann auch keine Verfahren mit einem anderen Richter tauschen, weil er dessen Verfahren interessanter findet. Er muss die Verfahren bearbeiten, die ihm zugeteilt worden sind. Ein Verfahren von Anfang bis Ende dauert beim Amtsgericht im Durchschnitt 4,5 Monate, beim Landgericht 8 Monate.
Richter Paul-Sebastian Sommer kommt morgens ins Gericht und findet fünf neue Akten vor. Er klappt die erste Akte auf – ein Verkehrsunfall. Jemand ist zu schnell gefahren und hat einen Unfall verursacht. «Ich kann Verkehrsunfälle nicht leiden, die Verfahren dauern immer so lange», brummt Richter Sommer. Er klappt die nächste Akte auf – eine misslungene Urlaubsreise. «Immer diese Meckerköpfe», schimpft Richter Sommer, «müssen die wegen jedem quietschenden Bett vor Gericht gehen?» Der Richter nimmt sich die nächste Akte – eine missglückte Nasenoperation – und denkt: «Was lassen die Leute auch an sich rumschnippeln?» Er schaut sich die vorletzte Akte an – eine nicht bezahlte Telefonrechnung: «Ist zwar ein langweiliger Fall, aber schnell erledigt.» Und bei der letzten Akte – der Putz eines Hauses blättert ab – murmelt er: «Ein Streit mit einem Handwerker, wie ich das liebe!» All diese Streitverfahren muss der Richter in der nächsten Zeit bearbeiten und entscheiden. Vielleicht hat er Glück und die nächsten Verfahren, die bei ihm auf dem Tisch landen, findet er interessanter.
3. Ein typischer Arbeitstag
eines Zivilrichters
Richter Paul-Sebastian Sommer liest sich die Akte mit der Urlaubsreise und dem quietschendem Bett durch. Er fragt sich, was meint der Kläger mit einem quietschenden Bett? Wie darf man sich das quietschende Bett vorstellen? Diese Frage stellt der Richter dann auch dem Kläger. Er schickt ihm ein Schreiben: «Bitte erklären Sie innerhalb von zwei Wochen, was Sie unter einem quietschenden Bett verstehen. Können Sie dies nicht, werden Sie den Streit verlieren.»
Und dann liegen da noch ein paar andere Akten auf dem Tisch. Ein Rechtsanwalt schreibt, dass er zu einem mündlichen Verhandlungstermin nicht kommen kann, weil er im Urlaub ist. Er bittet um eine Terminverlegung. Also verlegt Richter Sommer den Termin und teilt dies allen Beteiligten mit. In einer anderen Akte ist der Kläger nicht damit einverstanden, dass Gutachter M.C. Meyer das Gutachten zur Bruchfestigkeit von Fensterscheiben erstellen soll. Dies soll lieber Gutachter K. Freising tun. Richter Sommer ist genervt. Er kennt keinen besseren Gutachter für den Bereich Bruchfestigkeit von Fensterscheiben als M. C. Meyer. Er schickt das Schreiben des Klägers an die Beklagte. Soll die doch erstmal sagen, ob sie die Bedenken des Klägers teilt oder nicht. Erst dann wird Richter Sommer entscheiden, welcher Gutachter beauftragt wird.
Es klopft an der Tür. Der Bote legt dem Richter einen «Antrag auf eine einstweilige Verfügung» auf den Tisch. In dem Antrag schreibt die Antragstellerin Marie Müller, dass sie von ihrem geschiedenen Ehemann Paul Müller belästigt wird. Er schicke ihr am Tag 50 SMS mit den Worten «Ich liebe dich noch immer.» Und er sitze den ganzen Tag vor ihrem Haus und schaue durch das Fenster ins Wohnzimmer. Und er rufe jede Nacht fünfmal an und sage: «Wollen wir es nicht noch einmal versuchen?» Die Antragstellerin schreibt, sie sei sehr verzweifelt, könne nicht mehr schlafen, habe Angst, das Haus zu verlassen und leide unter dauernden Kopfschmerzen. Sie will, dass ihr geschiedener Ehemann die Belästigungen unterlässt.
Ein «Antrag auf eine einstweilige Verfügung» ist eilig. Er
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