Jurassic Park
erlegten Beutetiere geknabbert, nachdem die Großen sich vollgefressen hatten und dösend in der Sonne lagen. Fleischfresser konnten bis zu 25 Prozent ihres Körpergewichts bei einer einzigen Mahlzeit zu sich nehmen, und das machte sie nach dem Fressen schläfrig. Wahrscheinlich krabbelten die Babys quiekend über die nachsichtigen, mit der Verdauung beschäftigten Großen und rissen ab und zu kleine Bissen aus dem toten Tier. Die Kleinen waren vermutlich recht niedlich.
Aber ein erwachsener Velociraptor war eine ganz andere Geschichte. Mit jeder Faser seines Körpers war dieses Tier der räuberisch ste Dinosaurier, der je auf diesem Planeten gelebt hatte. Er war zwar relativ klein - etwa so groß wie ein Leopard und um die 200 Pfund schwer-, dafür aber schnell, intelligent, listig und zum Angriff bestens gerüstet mit Zähnen, kräftigen, klauenbewehrten Vorderläufen und der vernichtenden einzelnen Klaue am Fuß. Velociraptoren jagten in Rudeln, und Grant stellte es sich als beeindruckendes Schauspiel vor, wenn ein Dutzend dieser Tiere in voller Geschwindigkeit vorwärtsstürmte, einem viel größeren Dinosaurier auf den Rücken sprangen, sich in seinem Hals verbissen und ihm Brust und Bauch aufrissen...
»Die Zeit wird langsam knapp«, bemerkte Ellie und brachte Grant so in die Gegenwart zurück.
Grant gab Anweisungen für den Graben. Von der Computergrafik wußte er, daß das Skelett nur relativ wenig Platz beanspruchte; ein quadratischer Graben mit zwei Metern Kantenlänge sollte ausreichen. Ellie befestigte unterdessen die Plane, die die Hügelflanke bedeckte. Grant half ihr, die letzten Pflöcke einzuschlagen. »Wie ist das Baby gestorben?« fragte einer der Jungen. »Ich glaube kaum, daß wir das je erfahren werden«, antwortete Grant. Wenn es überhaupt Hinweise darauf gab, würden nur weitere geduldige Ausgrabungen in der Umgebung der Fundstelle sie zutage bringen. Aber wahrscheinlich würden sie es nie erfahren. »In freier Wildbahn ist die Jungtiersterblichkeit sehr hoch«, erklärte er. »In den afrikanischen Naturreservaten beträgt sie unter Fleischfressern bis zu 70 Prozent. Es hätte alles Mögliche sein können - eine Krankheit, Trennung von der Herde, alles Mögliche. Sogar ein Angriff von einem ausgewachsenen Tier. Wir wissen zwar, daß diese Tiere in Rudeln jagten, aber sonst wissen wir nichts über ihr Sozialverhalten.«
Die Studenten nickten. Sie alle kannten sich aus in Verhaltensforschung und wußten zum Beispiel, daß ein männlicher Löwe, der ein neues Rudel übernahm, zunächst alle Jungen tötete. Das hatte offensichtlich genetische Gründe: Der männliche Löwe war bestrebt, seine Gene so weit wie möglich zu verbreiten, und indem er die Jungen tötete, machte er alle Weibchen läufig, so daß er selbst sie befruchten konnte. Außerdem verhinderte er so, daß die Weibchen mit der Aufzucht von Nachkommen eines fremden Männchens Zeit vergeudeten.
Vielleicht wurde auch das Velociraptorrudel von einem so dominanten Männchen beherrscht. Wir wissen ja wenig über die Dinosaurier, dachte Grant. Nach 150 Jahren Forschungen und Ausgrabungen in allen Teilen der Welt waren Eigenarten und Verhaltensweisen der Dinosaurier noch immer weitgehend unbekannt. »Wir müssen los«, sagte Ellie, »wenn wir um fünf in Choteau sein wollen.«
Hammond
Gennaros Sekretärin kam mit einem neuen Koffer ins Zimmer, an dem noch das Preisschild hing. »Wissen Sie, Mr. Gennaro«, sagte sie streng, »da Sie das Packen vergessen haben, glaube ich, daß Sie keine Lust auf diese Reise haben.«
»Da haben Sie vielleicht sogar recht«, erwiderte Gennaro. »Ich verpasse immerhin den Geburtstag meiner Tochter.« Am Samstag war Amandas Geburtstagsfeier, und dazu hatte Elizabeth nicht nur 20 kreischende Vierjährige eingeladen, sondern auch noch Cappy den Clown und einen Zauberer. Seine Frau war nicht sonderlich erfreut gewesen, als sie hörte, daß er wegfahren müsse. Und Amanda ebensowenig.
»Also ich habe alles besorgt, was so kurzfristig möglich war«, sagte seine Sekretärin. »Da drin sind Turnschuhe in Ihrer Größe, Khakishorts und -hemden und Rasierzeug. Eine Jeans und ein Sweatshirt, falls es kalt wird. Das Auto wartet unten, um Sie zum Flughafen zu bringen. Sie müssen jetzt los, wenn Sie die Maschine schaffen wollen.«
Sie verließ das Zimmer. Gennaro ging den Gang entlang und entfernte dabei die Preisschilder von dem Koffer. Als er an der Glaswand des Konferenzraums vorbeikam, sah er, daß Dan Ross
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