Jurassic Park
bedrückt. »Sie müssen sich doch jetzt bestätigt fühlen«, sagte Grant. »Ich meine, was Ihre Theorie Angeht.«
»Um ehrlich zu sein, eigentlich habe ich Angst. Ich fürchte, daß wir uns an einem sehr gefährlichen Punkt befinden.«
»Warum?«
»Intuition.« »Glauben Mathematiker an Intuition?«
»Absolut. Die ist sehr wichtig, die Intuition«, erwiderte Malcolm.
»Genaugenommen habe ich gerade über Fraktale nachgedacht. Wissen Sie, was Fraktale sind?« Grant schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht, nein.«
»Fraktale sind eine Art Geometrie, die man im allgemeinen mit einem Herrn von ausgeprägtem Selbstbewußtsein namens Mandelbrot in Verbindung bringt. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Euklidschen Geometrie, die jeder in der Schule lernt - Quadrate und Würfel und Kugeln-, scheint die fraktale Geometrie reale Gegenstände der natürlichen Welt zu beschreiben. Berge und Wolken haben fraktale Gestalt. Also haben die Fraktale wahrscheinlich mit der Wirklichkeit zu tun. Irgendwie. Na, und Mandelbrot hat mit diesen geometrischen Hilfsmitteln ein paar bemerkenswerte Dinge herausgefunden. Er hat entdeckt, daß Dinge, in verschiedenen Maßstäben betrachtet, fast identisch aussehen.«
»In verschiedenen Maßstäben?« fragte Grant.
»Ein Beispiel«, sagte Malcolm. »Wenn Sie einen Berg aus der Entfernung betrachten, sehen Sie eine gewisse Zackenform. Wenn Sie näher hingehen und sich einen kleineren Grat des großen Berges ansehen, wird der eine sehr ähnliche Form haben. Und wenn Sie sich dann eine kleine Erhebung auf diesem kleineren Grat vornehmen, finden Sie auch hier eine ähnliche Form. So können Sie weitermachen bis zu einem winzigen Steinfragment, das Sie unter dem Mikroskop betrachten - auch hier sehen Sie die zugrundeliegende fraktale Form des großen Bergs.«
»Ich versteh eigentlich nicht, welche Bedeutung das für uns hat«, sagte Grant gähnend. Der Schwefel der vulkanischen Dampfschwaden stieg ihm in die Nase. Sie näherten sich dem Straßenstück, das an der Küste entlanglief und den Blick auf das Meer und den Strand freigab.
»Es ist eine bestimmte Betrachtungsweise der Welt«, entgegnete Malcolm. »Mandelbrot hat die Selbstähnlichkeit beim Übergang vom Größten zum Kleinsten festgestellt. Und diese Selbstähnlichkeit bei der Variation des Maßstabs tritt auch bei Ereignissen ein.«
»Ereignisse?«
»Denken Sie an die Baumwollpreise. Die Baumwollpreise sind weit über 100 Jahre lang hervorragend dokumentiert. Bei der Betrachtung der Fluktuation der Preise stellt man fest, daß die Fluktuationskurve eines einzelnen Tages im wesentlichen genauso aussieht wie die einer Woche, eines Jahres oder von zehn Jahren. So funktioniert die Welt. Ein Tag ist wie ein ganzes Leben. Man fängt an, das eine zu tun, doch schließlich tut man etwas ganz anderes, man will irgendwohin, kommt aber nie an... Und am Ende Ihres Lebens zeigt sich, daß das ganze Leben genauso zufällig und planlos verlaufen ist. Ihr ganzes Leben hat fast die gleiche Gestalt wie ein einzelner Tag.«
»Das ist sicher eine mögliche Betrachtungsweise«, sagte Grant. »Nein«, erwiderte Malcolm. »Es ist die einzig mögliche Betrachtungsweise. Zumindest die einzige, die der Wirklichkeit entspricht. Sie müssen verstehen, dieses Konzept der Selbstähnlichkeit in der Theorie der Fraktale beinhaltet den Aspekt der Rekursion, der Wiederkehr des Ähnlichen, was bedeutet, daß Ereignisse nicht vorhersehbar sind. Sie können sich plötzlich und ohne Vorwarnung verändern.«
»Okay...«
»Aber wir trösten uns mit der Vorstellung, daß eine plötzliche Veränderung etwas ist, das außerhalb der normalen Ordnung der Dinge abläuft. Für uns ist eine plötzliche Veränderung ein Unfall, wie bei einem Autounfall. Oder etwas, das wir nicht unter Kontrolle haben, wie etwa eine tödliche Krankheit. Wir können uns nicht vorstellen, daß plötzliche, radikale, irrationale Veränderungen zum Grundmuster unseres Lebens gehören. Aber genau so ist es. Und die Chaostheorie lehrt uns. daß die Linearität, die wir bei allem, von der Physik bis zur Fiktion, für selbstverständlich halten, einfach nicht existiert. Die Linearität ist eine künstliche Art der Weltbetrachtung. Das wirkliche Leben ist keine Abfolge miteinander verbundener Ereignisse, die nacheinander eintreten so wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht sind. In Wirklichkeit ist der Ablauf des Lebens eine Reihe von Ereignissen, in der ein Ereignis die folgenden in einer
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