Just Listen - Roman
echt.«
»Es.«
»Ja.«
Ein Geschäftsmann, der etwas über Fusionen in sein Handy trompetete, ging an uns vorbei. »Platzhalter«, lautete mein einziger Kommentar.
Er wand sich wie ein Wurm am Haken. »Dachte mir schon, dass du so etwas sagen würdest.«
»Komm, du
wusstest
, ich würde genau das Wort benutzen.«
»Ist ja gut.« Er raufte sich geradezu die Haare. »Ich hatte eine ausführliche Grundsatzdiskussion mit meiner Mutter, aus der ich mich schlecht rausziehen konnte.«
»Eine Grundsatzdiskussion. Worüber?«
Wieder zuckte er zusammen. Hielt es echt kaum noch aus. Aber ich konnte nichts dafür: Nachdem ich so langeauf der anderen Seite der Wahrheit gestanden hatte, merkte ich auf einmal, dass es beinahe Spaß machte, diejenige zu sein, welche die Fragen stellte.
»Nun ja.« Er hüstelte. »Genau genommen muss ich gerade eine längere Strafe absitzen. Eine sehr lange Strafe, Ende fast nicht absehbar. Deshalb musste ich eine Art Freigang aushandeln, bevor ich abhauen durfte. Und das dauerte länger, als ich dachte.«
»Du hast also Hausarrest«, stellte ich klar.
»Ja.«
»Weswegen?«
Erneut wand er sich und zappelte, schüttelte den Kopf, blickte über den Brunnen auf einen Punkt in der Ferne. Wer hätte gedacht, dass es Owen Armstrong, dem ehrlichsten Jungen der Welt, so schwerfallen würde, die Wahrheit zu sagen? Aber wenn ich ihn unumwunden fragte, würde er antworten, da war ich mir sicher.
»Owen«, sagte ich. Sein Unbehagen drückte sich in körperlichen Zuckungen aus, bis in die Schultern hinauf. »Was hast du gemacht?«
Er sah mich fast eine Minute lang stumm an. Schließlich seufzte er abgrundtief. »Will Cash eine verpasst.«
Ich schüttelte entgeistert den Kopf. »Was um alles in der Welt hast du dir dabei gedacht?«
»Na ja, ehrlich gesagt … gar nichts.« Seine Gesichtsfarbe wechselte von Hoch- zu Tiefrot. »Direkt vor hatte ich es jedenfalls nicht.«
»Du hast ihm aus Versehen eine verpasst?!«
»Nein.« Er warf mir einen Blick zu. »Okay, willst du es wirklich wissen?«
»Würde ich sonst fragen?«
»Hör mal, die Wahrheit ist … also, nachdem du gesterngegangen bist, war ich echt stinkig. Ich meine, ich bin auch bloß ein Mensch oder etwa nicht?«
»Doch. Bist du.«
»Ich wollte ihn nur mal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Das war’s auch schon. Außerdem wusste ich, dass er manchmal bei dieser elend miesen
Perkins Day
-Band mitspielt, die gestern Abend bei einem Showcase im
Bendo
auftreten würde. Deshalb dachte ich mir, vielleicht ist er ja dabei. War er auch. Was schon an und für sich ätzend ist. Wer geht am Abend vor seiner eigenen Gerichtsverhandlung in einen Club, und dann auch noch, um in so einer Kackband mitzuspielen? Es ist –«
»Owen.«
»Im Ernst jetzt. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie grottig schlecht die Typen sind? Selbst für eine Cover-Band! So was von jämmerlich, glaub’s mir. Ich meine, wer sich auf die Bühne stellt und von vornherein zugibt, er könne nicht einmal seine eigenen Stücke schreiben, sollte zumindest in der Lage sein, die Songs anderer anständig zu interpretieren …«
Ich sah ihn nur an.
»Okay.« Wieder fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. »Egal, jedenfalls war er da, ich habe ihn mir ein bisschen angeguckt, Ende der Geschichte.«
»Das ist definitiv nicht das Ende der Geschichte«, sagte ich streng.
Worauf Owen widerstrebend fortfuhr: »Ich habe mir ihren Auftritt angesehen. Indiskutabel, wie schon gesagt. Ich musste raus, Luft schnappen. Und da stand er, rauchte sich eine. Laberte mich auf einmal an. Als würden wir uns kennen, als wäre er nicht voll der Abschaum, dieses verfluchte, widerliche Arschloch.«
»Owen«, sagte ich beschwichtigend.
»Ich merkte, wie ich innerlich anfing zu kochen.« Er verzog selbstkritisch das Gesicht, bekam die nächsten Worte kaum über die Lippen. »Mir war absolut klar, ich hätte dringend durchatmen sollen, einfach weitergehen und so weiter. Aber ich hab’s nicht gemacht. Er rauchte seine Zigarette fertig, wollte gerade wieder rein. Aber als er mir dann plötzlich auch noch auf die Schulter haute, bin ich …«
Ich trat einen Schritt auf ihn zu.
»... ausgerastet. Habe komplett die Kontrolle verloren.«
»Ist schon gut«, sagte ich.
»Ich wusste im selben Moment, dass ich es bereuen würde«, fuhr er fort. »Dass es die Sache nicht wert war. Aber da war es auch schon passiert. Ich bin vor allem auch auf mich ganz schön sauer, das kannst du mir
Weitere Kostenlose Bücher