Just Listen - Roman
hätte gedacht, dass sie ein
Ebb-Tide -Fan
war, importierte CDs besaß und womöglich, jedenfalls in Owens Augen, zu den Erleuchteten gehörte? Obwohl, andererseits wusste sie über mich auch nicht sehr viel. Vielleicht hätten wir das an einem langen Wochenende wie diesem ändern können. Taten wir aber nicht. Stattdessen saßen wir rum, zwar in einem Raum, aber eigentlich jede für sich, und sahen uns einen Bericht über eine Fremde und deren Geheimnisse an, während wir unsere für uns behielten. Wie immer.
Am nächsten Morgen begann Owen seine Show mit einem Technostück, das geschlagene achteinhalb Minuten dauerte, kein Witz.
Die ganze Zeit, während es lief, sagte ich mir, es stehe mir rechtmäßig zu, das Radio abzuschalten und sofort wieder einzuschlafen. Aber irgendwie schaffte ich es dann doch nicht.
»Das war die Gruppe
Prickle
mit
Velveteen
«, verkündete er, nachdem die Tortur endlich vorbei war. »Ein Song von ihrer zweiten CD,
The Burning
, wahrscheinlich eins der besten Techno-Alben, die je veröffentlicht wurden. Schwer zu glauben, Leute, aber es gibt welche da draußen, die dieser Musik überhaupt nichts abgewinnen können. Ihr hört die Sendung
Anger Management
. Habt ihr einen Musikwunsch?Dann ruft uns an unter 555-WRUS. Und als Nächstes etwas von
Snakeplant
.«
Ich verdrehte die Augen, rollte mich aber nicht auf die andere Seite. Im Gegenteil, ich hörte mir die ganze Sendung an, was mittlerweile schon fast zu einer lieben Gewohnheit geworden war. Owen legte ein bisschen Rockabilly auf, danach ein paar gregorianische Choräle sowie ein Lied auf Spanisch, von dem er meinte: »Genau wie Astrid Gilberto und dann doch wieder nicht.« Was das auch immer heißen sollte. Kurz vor acht schließlich hörte ich die ersten Takte eines Songs, der mir bekannt vorkam. Woher, dessen war ich mir allerdings nicht sicher. Bis Owen wieder zu reden begann.
»Und das war wieder einmal
Anger Management
, auf eurem kommunalen Radio WRUS 89,9. Wir verabschieden uns heute mit einem Gruß an eine unserer Stammhörerinnen, der wir damit sagen möchten: Schäme dich nicht für die Musik, die dir gefällt. Auch dann nicht, wenn es, unserer eigenen, bescheidenen Meinung nach, eigentlich gar keine richtige Musik ist. Wir wissen, warum du gestern wirklich in der Mall warst. Bis nächste Woche, Leute!«
Jetzt erst fiel bei mir der Groschen: Es handelte sich um den Jenny-Reef-Song, der gestern in der Mall nonstop rauf und runter gespielt worden war. Als der Song wieder aufgeblendet wurde, setzte ich mich auf und griff nach dem Telefon.
»WRUS Kommunales Radio.«
»Ich war nicht in der Mall, um Jenny Reef zu sehen«, sagte ich. »Aber das habe ich dir gestern schon gesagt.«
»Gefällt dir das Lied etwa nicht?«
»Es gefällt mir sogar sehr. Es ist besser als so ziemlich alles, was du heute sonst aufgelegt hast.«
»Ha-ha.«
»Das war kein Witz.«
»Ich weiß«, erwiderte er. »Was ich, ehrlich gesagt, einfach nur zum Heulen finde.«
»Fast genauso zum Heulen, wie Jenny Reef in deiner Sendung zu spielen. Was soll das? Läufst du jetzt zum Mainstream über, wie jeder x-beliebige Bubblegum-Sender?«
»Das war ironisch gemeint.«
Ich lächelte und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Das glaubst auch bloß du.«
Er seufzte abgrundtief; das Geräusch schien den ganzen Hörer auszufüllen. »Jetzt aber Schluss mit Jenny Reef. Sag mir lieber, was du von Bacon hältst?«
»Bacon?«, wiederholte ich. »Welcher Song soll das denn gewesen sein?«
»Kein Song, sondern etwas zu essen. Du weißt schon: Bacon. Schweinespeck. Brutzelt in der Pfanne. Klingelt’s?«
Unwillkürlich nahm ich den Hörer runter und starrte das Teil perplex an, bevor ich ihn mir wieder ans Ohr hielt.
»Was hältst du davon?«, wiederholte er gerade. »Bist du dabei?«
»Bei was?«, fragte ich zurück.
»Frühstück.«
»Jetzt?«, antwortete ich mit einem Blick auf die Uhr.
»Hast du etwa um die Zeit schon etwas anderes vor?«
»Nun ja, nein, aber –«
»Cool. Ich hole dich in zwanzig Minuten ab.«
Er legte einfach auf. Ich steckte das Telefon auf die Basisstation zurück, drehte mich um und betrachtete mich im Spiegel über der Kommode.
Zwanzig Minuten
, dachte ich.
Oooo-kay.
Ich schaffte es, mich in neunzehneinhalb Minuten zu duschen, mir ein paar Klamotten überzuwerfen und mich auf die Stufen vor der Haustür zu stellen, wo ich bereits wartete, als Owen in die Einfahrt einbog. Whitney schlief noch, das ersparte
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