Just Listen - Roman
unter Garantie gar nichts tun.«
»Vielleicht doch.«
Sie warf mir einen Blick zu. Halb rechnete ich damit, dass sie mich anschnauzen oder eine ihrer typischen, sarkastischen Bemerkungen von sich geben würde. Doch sie meinte bloß: »Wir werden ja sehen.« Ließ die Arme wieder locker, stapfte in die Küche.
Während Whitney den Wasserhahn aufdrehte, weil sie sich die Hände waschen wollte, ging ich zum Fenster hinüber, um die Blumentöpfe genauer zu betrachten. Die Erde war dunkel und roch gut, Düngekügelchen blitzten darin auf, Wasserperlen glitzerten im Sonnenlicht. Vielleicht war es wirklich eine blödsinnige Übung, vielleicht wuchs im Winter wirklich nichts. Aber etwas an der Vorstellung, dass die Samen, die dort verbuddelt waren, trotzdem die Chance erhielten, sich zu entwickeln, gefiel mir. Auch wenn man es nicht sehen konnte: Unter der Oberfläche schlossen sich Moleküle zusammen, Energie baute sich auf und hart und einsam arbeitete etwas daran zu wachsen.
Kapitel 10
Bis zum Nachmittag hatte meine Mutter schon zwei Nachrichten auf unserem Anrufbeantworter hinterlassen: Eine, dass sie im Hotel angekommen waren, die andere, um mich daran zu erinnern, wo sie das Geld für die Pizza hingelegt hatte. Ein dezenter Hinweis, um sicherzugehen, dass wir (das heißt: Whitney) auch tatsächlich zu Abend essen würden.
Nachricht angekommen
, sagte ich zu mir, während ich in die Küche ging. Das Geld lag auf der Küchentheke, zusammen mit einer Liste von Restaurants, die Pizza lieferten. Man konnte meiner Mutter alles Mögliche nachsagen, aber nicht, dass sie sich nicht auf alles vorbereitet hätte.
»Whitney?«, rief ich die Treppe hinauf. Keine Antwort. Was nicht hieß, dass sie nicht da war, sondern bloß, dass sie wahrscheinlich keine Lust hatte zu antworten. »Ich bestelle jetzt Pizza, ist eine mit extra Käse okay?«
Immer noch keine Reaktion.
Also gut
, dachte ich,
gibt es eben Pizza mit extra Käse.
Ich schnappte mir die Liste und wählte eine x-beliebige Nummer.
Nachdem ich bestellt hatte, ging ich in mein Zimmer, weil ich mir die CDs, die Owen mir gebrannt hatte, in Ruhe anhören wollte. Aufs Geratewohl fing ich bei einer mit dem Titel PROTESTSONGS (AKUSTISCHE GITARRE/WORLD MUSIC) an.
Ich schaffte gerade einmal drei Stücke, die von Gewerkschaften handelten, bevor ich einnickte, wurde allerdings kurze Zeit später durch die Haustürklingel wieder geweckt.
Ich schreckte hoch, setzte mich auf – doch da hörte ich auch schon, wie Whitney an meinem Zimmer vorbeiging und die Stufen hinunterlief, um zu öffnen. Nachdem ich noch schnell meine Zähne geputzt hatte, folgte ich ihr.
Als ich unten im Flur ankam, stand sie in der geöffneten Haustür, die sowohl meine Sicht auf Whitney als auch auf die- oder denjenigen, der draußen auf der Türschwelle vor ihr stand, blockierte. Aber ihre Stimmen hörte ich deutlich.
»... eigentlich weniger die neueren Sachen von ihnen, eher die frühen Alben«, erzählte Whitney gerade. »Ein Freund hat mir ein paar importierte CDs gegeben, die einen einfach umhauen.«
»Echt«, antwortete eine andere, tiefere Stimme. Ein Typ also. »Aus England oder woher?«
»Ja, England, glaube ich. Muss mal nachsehen.«
Vielleicht empfand ich es auch nur so, weil ich gerade erst aufgewacht war, doch irgendetwas an dem Szenario kam mir sehr vertraut vor, obwohl ich nicht genau hätte sagen können, was.
»Was bekommst du noch mal von mir?«, fragte Whitney.
»Elf siebenundachtzig«, antwortete der Typ.
»Hier sind Zwanzig. Gib mir Fünf zurück, das passt schon.«
»Danke.« Ich ging noch eine Stufe weiter hinunter. Mittlerweile war ich mir sicher, dass ich die Stimme kannte. »Mit
Ebb Tide
ist das so eine Sache«, fuhr ihr Besitzer geradefort. »Man muss erst einmal auf den Geschmack kommen.«
»Absolut«, erwiderte Whitney.
»Ich meine, die meisten wissen nicht einmal …«
Ich stellte mich neben Whitney in die geöffnete Tür. Owen. Natürlich. Er stand auf der Matte vor unserer Haustür, die unvermeidlichen Kopfhörer baumelten um seinen Hals, und zählte meiner Schwester Dollarscheine in die Hand. Sie nickte, während er sprach, und betrachtete ihn mit einem so liebenswürdigen Gesichtsausdruck, wie ich ihn seit, ach, sicher einem Jahr nicht mehr an ihr wahrgenommen hatte. Geschweige denn, dass sie mich in letzter Zeit so eines Blickes gewürdigt hätte. Als Owen mich bemerkte, lächelte er.
»Siehst du«, meinte er zu Whitney, »da kommt gleich ein
Weitere Kostenlose Bücher