Just Listen - Roman
lebendes Beispiel. Annabel ist mit Sicherheit
kein Ebb-Tide - Fan
. Sie kann Techno nicht ab.«
Whitney blickte sichtlich irritiert erst zu mir, dann wieder zu Owen. »Echt?«
»Ja. Trotz aller meiner Versuche, sie vom Gegenteil zu überzeugen«, meinte er. »Sie ist verdammt stur, wenn sie sich erst einmal eine Meinung gebildet hat. Total ehrlich und gleichzeitig total eigensinnig. Aber ich nehme an, das weißt du sowieso.«
Whitney sah mich nur an, als er das sagte, und mir war klar, was sie dachte: dass das nämlich nicht im Mindesten nach mir klang. Nicht einmal annähernd.
Auch ich empfand es nicht unbedingt als eine zutreffende Beschreibung meiner Wenigkeit, aber aus irgendeinem Grund ärgerte mich ihr ungläubiger Blick trotzdem.
»Egal«, sagte er in diesem Moment, beugte sich zu der Plastikbox zu seinen Füßen hinunter, öffnete den Verschlussund nahm einen Pizzakarton heraus. »Hier. Guten Appetit.«
Whitney nickte, wobei sie mich allerdings nach wie vor unverwandt ansah. Dann nahm sie ihm den Pizzakarton aus der Hand. »Danke«, meinte sie. »Schönen Abend noch.«
»Gleichfalls«, erwiderte Owen, während Whitney sich umdrehte und durchs Esszimmer Richtung Küche ging.
Owen stopfte sich gerade die Geldscheine, die er in der Hand hielt, in die Tasche und hob die Box auf. Er trug eine Jeans und ein rotes T-Shirt mit der Aufschrift ALLES KÄSE ODER WAS!? Von sämtlichen Pizza-Lieferanten, die meine Mutter mir aufgeschrieben hatte, hatte ich ausgerechnet die Nummer desjenigen angerufen, bei dem er jobbte. Wer hätte das gedacht? Ich gebe aber zu, ich war froh, ihn zu sehen.
»Deine Schwester ist ein
Ebb-Tide -Fan
«, sagte er. »Sie hat sogar ein paar importierte CDs von ihnen.«
»Und das ist gut?«
»Bestens sogar«, antwortete er. »Grenzt fast an Erleuchtetsein. Platten aus dem Ausland hat man nicht einfach so, dafür muss man sich anstrengen.«
»Redest du eigentlich mit jedem, der dir zufällig begegnet, über Musik?«
»Nein«, sagte er. Ich blickte ihn abwartend an. Irgendwo in meinem Rücken schaltete Whitney den Fernseher an.
»Also, nicht immer. Ich hatte meine Kopfhörer auf, als ich bei euch klingelte. Und deine Schwester fragte mich halt, was ich gerade höre.«
»Und wie der Zufall es will, war es eine Band, die sie kennt und auf die sie auch noch steht.«
»Musik ist eben etwas Universelles«, sagte er munter undverlagerte die Plastikbox auf den anderen Arm. »Etwas, das verbindet, Menschen zusammenbringt. Freund und Feind, Jung und Alt. Mich und deine Schwester. Und –«
»Mich und deine Schwester.« Ich fiel ihm ins Wort. »
Und
deine Mutter.«
»Meine Mutter?«, fragte er.
»Ich habe sie heute in der Mall getroffen. Bei der Jenny-Reef-Aktion.«
Ihm fiel die Klappe runter. »Du warst bei Jenny Reef?!«
»Ich stehe auf Jenny Reef«, antwortete ich. Er zuckte regelrecht zusammen. »Sie schlägt
Ebb Tide
um Längen.«
»Das ist nicht einmal wirklich witzig«, entgegnete er mit Grabesstimme.
»Was ist so falsch an Jenny Reef?«, fragte ich betont harmlos.
»Alles, was nur falsch sein kann, ist falsch an Jenny Reef!«, konterte er.
Ups, jetzt geht das wieder los
, dachte ich.
»Hast du dir das Poster, das sie für Mallory signiert hat, überhaupt mal richtig angeschaut? Mit der Schleichwerbung als Teil des Autogramms? Ich finde es so widerlich, wenn jemand, der sich ja immerhin als Künstler versteht, sich dermaßen von dieser Vermarktungsmaschinerie vereinnahmen lässt, sich geradezu verkauft, und das alles im Namen von –«
»Okay, okay, krieg dich wieder ein.« Höchste Zeit, dass ich die Sache aufklärte, sonst war ich am Ende noch dafür verantwortlich, dass ihm eine Ader platzte. »Ich bin nicht zur Mall gefahren, um Jenny Reef zu sehen. Meine Agentur hatte da ein Meeting, wegen eines Shootings für
Kopf
.«
»Ach so.« Tief durchatmend schüttelte er den Kopf. »Mann, hast du mich vielleicht erschreckt.«
»Aber du hast doch mal groß verkündet, in der Musikgebe es kein Richtig oder Falsch. Was ist davon übrig geblieben?«, fragte ich. »Oder gilt das etwa nicht für Teenie-Popstars?«
»Klar gilt das«, meinte er trocken. »Du hast natürlich ein Recht auf deine eigene Meinung über Jenny Reef. Ich fände es bloß den Horror, wenn du tatsächlich ein Fan wärst.«
»Aber hast du ihr überhaupt eine Chance gegeben?« Ich hob die Hand, um meine Worte zu unterstreichen. »Weißt du nicht mehr? Nicht denken, nicht urteilen. Einfach nur zuhören.«
Er
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