Just Listen - Roman
einen Blick den Flur hinunter, um zu sehen, wo Angela blieb. Dann lehnte ich mich ebenfalls an den Türrahmen, Owen gegenüber, und schaute ihn an. Die Sandalen baumelten locker an meinem Finger. Owen hob die Kamera, schaute mich durchs Objektiv hindurch an.
»Nicht.« Ich bedeckte mein Gesicht mit einer Hand.
»Warum nicht?«
»Ich hasse es, wenn ich fotografiert werde.«
»Aber du bist
Model
.«
»Deswegen. Ich hab’s einfach zu oft erlebt.«
»Komm, nur eins.«
Ich ließ die Hand sinken, lächelte aber nicht, als sein Finger auf den Auslöser drückte. Stattdessen sah ich ihn nur an, geradewegs durch die Linse hindurch, während der Blitz aufflammte.
»Ist bestimmt gut geworden«, meinte er.
»Ach ja?«
Er nickte und drehte die Kamera um, weil er sich das Foto im Display anschauen wollte. Ich trat näher, warf ebenfalls einen Blick darauf. Das da war ich, zweifellos. Der Türrahmen hinter mir. Meine ungekämmten Haare, etliche lose Strähnen, keine Spur von Make-up. Und er hatte es auch nicht aus der für mich günstigsten Perspektive aufgenommen. Andererseits war es tatsächlich kein schlechtes Bild. Ich beugte mich noch weiter vor, betrachtete eingehend mein Gesicht und den schwachen Lichtkranz darum herum.
»Merkst du das?«, fragte Owen. Ich spürte seine Schulterneben meiner; sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Gemeinsam starrten wir auf das Display. »Das bist du. Genauso siehst du aus.«
Ich wandte den Kopf, um etwas darauf zu erwidern, obwohl ich nicht den leisesten Schimmer hatte, was. Da – seine Wange. Ganz nah, direkt vor mir. Ich blickte hoch. Ehe ich richtig kapierte, was geschah, drehte auch er langsam den Kopf. Beugte sich zu mir herunter. Ich schloss die Augen. Und dann lagen seine Lippen sanft auf meinen. Ich trat einen Schritt näher an ihn heran, presste mich gegen –
»Jetzt brauche ich bloß noch die Schuhe.«
Erschrocken fuhren wir zusammen. Owen stieß heftig mit dem Kopf an den Türrahmen. »Shit.«
Mein Herz klopfte wie rasend, als ich Angela anblickte, die uns mit ernstem Gesicht betrachtete. »Stimmt, die Schuhe«, sagte ich.
Owen rieb sich den Kopf. Seine Augen waren geschlossen. »Mann, das hat vielleicht reingehauen.«
»Alles okay?«, fragte ich ihn. Er nickte. Ich hob die Hand, legte für einen Moment meine Finger an seine Schläfe. Seine Haut fühlte sich warm an, weich. Ich nahm die Hand wieder weg.
»Owen!«, brüllte Mallory aus dem Wohnzimmer herüber. »Wir sind hier längst fertig. Lass uns endlich anfangen!«
Owen löste sich vom Türrahmen und ging Richtung Wohnzimmer. Angela, die inzwischen die Sandalen angezogen hatte, stöckelte etwas langsamer hinterher. Ich dagegen blieb noch einen Moment, wo ich war. Warf – nach wie vor total überrumpelt von dem, was gerade geschehen war – einen Blick in den Spiegel. Betrachtete mich flüchtig.Und trat schließlich mit einem Schritt aus dem Rahmen meines Ebenbildes heraus.
Als ich ins Wohnzimmer kam, waren sämtliche Dramen vergessen. Jetzt zählte nur noch eins: die Arbeit an den Gruppenbildern. Die fünf Girls posierten wie entfesselt, während Owen pflichtschuldig um sie herumsprang und von allen möglichen Punkten im Raum her fotografierte. Ich lehnte mich in den Türrahmen und sah zu, wie jedes Mädchen auf die ihr eigene Art Verführerin spielte: ein Hüftschwung hier, ein schräg geneigter Hals da, klimpernde Wimpern dort.
Dazu ertönte im Hintergrund ein Song, welcher definitiv in die Kategorie »Owens Hassmusik« fiel: muntere Pop-Beats und ein glattes, helles Frauenstimmchen, dessen Klang sich, perfekt durchproduziert, in den Instrumentalsound einfügte. Mallory streckte die Hand aus und drehte den Lautstärkeregler des C D-Spielers , der neben ihr auf dem Boden stand, bis zum Anschlag auf. Die Mädels kreischten, hoben die Arme, fingen an zu tanzen. Geschickt wich Owen aus, während sie ausgelassen an ihm vorbeiwirbelten und -hopsten. Dann richtete er die Kamera auf mich, hielt sie auch weiter dort, als die Mädchen zwischen uns herumhuschten, fast verschwammen. Bis zu dem Moment war ich mir nicht ganz sicher gewesen, was genau Owen gesehen hatte, wenn er mich betrachtete. Doch jetzt hatte ich eine Ahnung davon. Und dieses Mal lächelte ich, als er auf den Auslöser drückte.
Als ich später am Abend in unsere Auffahrt fuhr, war das Haus dunkel. Nur in Whitneys Zimmer brannte noch Licht. Ich konnte sehen, dass sie in ihrem Sessel am Fenster saß, die
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