Just Listen - Roman
Als sie ihren Namen hörte, wurde sie feuerrot und hastete hinaus auf den Flur, wo sie mit lautem Gekicher empfangen wurde.
Mallory folgte ihren Freundinnen, blieb aber in der Tür noch einmal stehen und wandte sich zu uns um. »Owen, ich brauche dich in fünf Minuten unten. Startklar. Und du, Annabel, kannst uns stylen und beraten.«
»Pass auf deinen Ton auf, Mallory«, lautete Owens Antwort. »Sonst macht ihr Selbstporträts.«
»Fünf Minuten!«, wiederholte sie ungerührt, bevor sie den Flur entlangmarschierte und ihre Freundinnen dabei weiter mit lauter Stimme herumkommandierte.
»Wow«, sagte ich zu Owen. »Ganz schön aufwendig, das Projekt.«
»Wem sagst du das?« Owen hockte sich auf die Bettkante. »Und glaub mir: Es wird in Tränen enden. Wie jedes Mal. Von so etwas wie der goldenen Mitte haben diese Mädels einfach keinen blassen.«
»Wovon haben sie keinen blassen?«
»Goldene Mitte«, wiederholte er, während ich mich zu ihm setzte. »Begriff aus der Wutbewältigungsstrategie. Bedeutet, man soll nicht immer bloß in Extremen denken. Du weißt schon, nach dem Motto: Wenn du nicht
für
mich bist, bist du automatisch
gegen
mich. Oder: Es gibt nur Richtig oder Falsch.«
»Entweder ›Traumverlobung‹ oder ›formelle Abendgarderobe‹.«
»Genau. Aber die Art zu denken ist unklug, ja geradezu gefährlich, weil es im Leben meistens mehr gibt als Schwarz oder Weiß. Es sei denn anscheinend, man ist dreizehn.«
»Miss Traumverlobung ist offenbar eine ziemliche kleine Diva.«
»Elinor?« Er stöhnte. »Ja, sie ist superanstrengend.«
»Aber sie steht auf dich.«
»Stopp.« Er warf mir einen finsteren Blick zu. »Das ist definitiv B-Jargon . Aber so was von.«
»Aber du weißt doch, in der Branche gehört es einfach dazu, dass Fotografen und Models sich ein bisschen annähern.« Ich stupste ihn spielerisch mit dem Knie an. »Macht die Arbeit effektiver.«
»Also noch mal: Warum bist du hergekommen?«
»Um die hier vorbeizubringen.« Ich hielt ihm seine Jacke hin. »Hab heute Morgen vergessen, sie dir zurückzugeben.«
»Ach ja. Danke. Aber damit hättest du auch bis Dienstag warten können.«
»Hätte ich auch«, erwiderte ich, griff in die Tasche und zog den iPod heraus. »Wenn der nicht drin gewesen wäre.«
Owen stutzte. »O Mann.« Er nahm ihn an sich. »Das Teil hätte mir irgendwann schwer gefehlt.«
»Hat es das noch nicht?«
»Nein. Aber ich war gerade dabei, mir Gedanken über die Sendung nächsten Sonntag zu machen. Deshalb wäre mir ziemlich bald aufgegangen, dass der iPod verschwunden ist. Danke.«
»Gern geschehen.«
Von unten drang plötzlich ein ziemlicher Lärm zu uns hoch, wobei unklar war, ob da jemand entweder laut jauchzte oder jammerte. »Was habe ich dir gesagt?« Owen deutete zur Tür. »Tränen. Garantiert. Keine goldene Mitte.«
»Vielleicht sollten wir lieber hierbleiben und uns verkriechen. Ist möglicherweise sicherer.«
»Ich weiß nicht.« Owen ließ seinen Blick über die Wände wandern. »Beim Anblick dieser Fotos wird mir ganz anders.«
»Zumindest bist du auf keinem drauf.«
»Du etwa? Hängen da auch Bilder von dir?«
Wortlos deutete ich auf die Computerausdrucke aus dem Werbespot. Owen stand auf und trat näher ran, um sie besser sehen zu können.
»Sind aber wirklich nichts Besonderes«, sagte ich.
Er betrachtete die Bilder schweigend und so ausgiebig, dass ich schon fast bereute, ihn darauf aufmerksam gemacht zu haben. »Eigenartig«, meinte er schließlich.
»Na super. Vielen Dank!«
»Damit meine ich bloß, die sehen gar nicht aus wie du.« Er hielt inne, beugte sich noch weiter vor. »Das sieht schonnach dir aus, also wie das Mädchen, das ich kenne, aber andererseits auch wieder nicht. Als wären du und sie nicht dieselbe Person.«
Ich schwieg. Mir war auf einmal ziemlich seltsam zumute. Denn Owen sprach genau das aus, was ich empfand, wenn ich meine älteren Fotos betrachtete, vor allem die aus dem
Kopf
-Werbespot. Das Mädchen auf jenen Bildern war eine andere als ich. Jetzt, in der Gegenwart. Authentischer, ungebrochener, unbefangener als das, was ich sah, wenn ich heute in den Spiegel blickte. Bisher hatte ich allerdings wie selbstverständlich angenommen, ich wäre die Einzige, der das auffiel.
»Das sollte keine Beleidigung sein«, sagte Owen.
Ich schüttelte den Kopf. »Ist schon gut.«
»Ich meine, die Fotos an sich sind schon okay.« Er warf noch einmal einen flüchtigen Blick darauf. »Ich finde nur, jetzt siehst du besser
Weitere Kostenlose Bücher