Just Listen - Roman
aus.«
Zuerst dachte ich, ich hätte ihn vielleicht falsch verstanden. »Jetzt?«
»Ja.« Er sah mich an. »Was dachtest du denn, was ich damit gemeint habe?«
»Ich weiß nicht …« Ich stockte. »Egal.«
»Du hast geglaubt, ich fände, dass du auf den Fotos besser ausgesehen hast?«
»Na ja, du bist wie immer einfach nur ehrlich.«
»Aber kein Idiot. Du
siehst
gut aus. Bloß eben nicht wie du. Du siehst … anders aus.«
»Anders schlecht.«
»Anders anders.«
»Nichtssagend, schwammig, banal«, konterte ich. »Typischer Platzhalter. Doppelter Platzhalter.«
»Du hast recht«, meinte Owen. »Was ich sagen möchte,ist Folgendes: Wenn ich mir die Fotos anschaue, denke ich,
Huch, das ist gar nicht Annabel. Das Mädchen sieht überhaupt nicht aus wie sie.
«
»Wie sehe ich denn aus?«
»So.« Dabei deutete er direkt auf mich. »Mir geht es um Folgendes: Das Mädchen, als das ich dich kennengelernt habe, lässt gar nicht erst Bilder von sich in Cheerleader-Outfits machen. Jobbt nicht einmal als Model. Punkt. Für mich bist das da nicht du.«
Ich wollte nachfragen, wollte wissen, was genau ich denn für ihn war. Bis mir plötzlich klar wurde, dass er mir die Antwort darauf eigentlich längst gegeben hatte. Schließlich wusste ich bereits, dass er mich für ehrlich, offen, sogar witzig hielt – lauter Eigenschaften, die ich mir selbst nie im Leben zugesprochen hätte. Und wer weiß, was es noch zu entdecken gab? Welches Potenzial sich in der Unterschiedlichkeit dieser beiden Mädchen verbarg? Der, welche er auf den Bildern sah, und der, die leibhaftig vor ihm stand. Jede Menge Möglichkeiten.
»Owen!«, brüllte Mallory von unten. »Wir sind fertig und warten auf dich.«
Owen verdrehte die Augen. Trat auf mich zu, reichte mir die Hand, um mich hochzuziehen. »Okay, auf geht’s.«
Als ich zu ihm hochblickte, wurde mir bewusst, dass auch er Teil dessen gewesen war, wie die Schule in diesem Jahr nach den Sommerferien für mich wieder angefangen hatte: Neben allem, was ich mit Sophie und Will erlebt hatte, sowie dem ganzen übrigen Horror war plötzlich Owen aufgetaucht. Owen, der mir seine Hand entgegenstreckte. Und als ich jetzt meine Finger um seine legte, war ich mehr denn je dankbar dafür, dass es endlich etwas gab, woran ich mich festhalten konnte.
Owen behielt recht, was die Tränen betraf. Innerhalb nur einer, nämlich der folgenden Stunde bahnte sich ein Super-GAU an.
»Das ist nicht fair«, sagte das dunkelhaarige Mädchen, die, wie ich mittlerweile wusste, Angela hieß. Ihre Stimme zitterte.
»Aber du siehst toll aus«, sagte Mallory und rückte umständlich ihre Boa zurecht. »Wo liegt das Problem?«
Ich wusste, wo. Es war ziemlich offensichtlich. Mallory und die anderen wechselten zwischen »elegant in den Feierabend« und »formeller Abendgarderobe« (beziehungsweise »Traumverlobung«, je nachdem, aus wessen Perspektive) hin und her, doch Angela durfte immer bloß »klassisch im Büro« sein, definitiv der unbeliebteste Look von allen. Jetzt blickte sie an sich herunter, ihrem einfachen, schwarzen Rock, der schwarzen Bluse, den flachen Schuhen, und quengelte: »Ich möchte auch einmal ›elegant in den Feierabend‹. Wann bin ich endlich dran?«
»Owen?«, flötete Blondie alias Elinor und zog ihr Schlauchtop über ihrem Bauchnabel zurecht. »Kann ich loslegen? Bist du fertig?«
»Nein«, brummte Owen, doch sie stolzierte bereits auf ihn zu, Hand auf der Hüfte, Mähne schwungvoll nach hinten geworfen. »Nicht mal annähernd.«
Die Mädchen hatten für ihr Shooting wirklich ganze Arbeit geleistet und nicht nur die Möbel im Wohnzimmer zur Seite geschoben sowie ein weißes Laken als Hintergrund über den Kaminsims gespannt, sondern auch eine Umkleide eingerichtet (im Prinzip das untere Bad) und Hintergrundmusik angestellt (hauptsächlich Jenny Reef, Bitsy Bonds und die Charts von Z104 – Owens Angebot, einen passenden Mix zu liefern, wurde entrüstet abgelehnt).
Mallory trug inzwischen ein Goldlamé-Bikinioberteil, einen Sarong und besagte Boa über der Schulter. »Natürlich kommst du irgendwann an die Reihe. Aber ›klassisch im Büro‹ ist superwichtig. Das muss auch jemand übernehmen«, sagte sie zu Angela.
»Warum machst du es dann nicht selbst?«
Mallory blies sich die Ponyfransen aus dem Gesicht und seufzte schwer. »Weil mein Typ besser zum Abend passt«, erklärte sie. Die Rothaarigen, die mittlerweile in Badeanzug beziehungsweise Bikini geschlüpft
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