Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)

möglich.«
    »Du bereust, dass du ihm ein Ultimatum gestellt hast«, sagte sie und vergaß dabei, die Lippen ihrer sichtbaren Repräsentation zu bewegen.
    »Ich bereue es, ihn hierhergeholt zu haben«, korrigierte er sie.
    »Weil du enttäuscht bist, dass er so gar nicht deinen Erwartungen entspricht«, mutmaßte sie.
    »Nein.« Er tat ihr den Gefallen und schaufelte sich eine Gabelladung Süßkartoffelbrei in den Mund. »Er hat es nicht verdient, was wir mit ihm treiben. Er ist ein guter Mann. Auf jeden Fall besser als jeder aus der Brut, die ich in die Welt gesetzt habe. Er hat seinen eigenen Willen und ist prinzipientreu. So was findet man nicht oft.«
    »Vorhin hast du ihm vorgeworfen, er wäre ein Zyniker.« Ihr gewähltes Abbild setzte eine völlig überzogene Miene der Verwunderung auf. »War das nur Teil deiner Strategie, um ihn gefügig zu machen?«
    »Zynismus ist auch ein Prinzip, dem man die Treue halten kann«, erklärte ihr Wilbur. »Manchmal denke ich, mir wäre damit auch mehr gedient als mit meinem blauäugigen Optimismus.«
    »Was hast du vor, falls Pollock Shermar endgültig scheitert?«, erkundigte sich Themis.
    »Er ist doch auf der richtigen Spur«, wich Wilbur aus. »Dass ich ihm vorgegaukelt habe, ich hielte sie für eine falsche Fährte, wird ihn nur umso mehr anstacheln.«
    »Das war nicht meine Frage«, erinnerte ihn Themis.
    Wilbur legte seine Gabel weg, knüllte die Serviette zusammen und warf sie auf seinen Teller. »Falls er scheitert, tun wir genau das, was dann getan werden muss. Aber er wird nicht scheitern. Niemals.«
    »Worauf gründet sich deine Gewissheit?«
    »Worauf wohl?« Wilbur musterte, wie der Stoff der Serviette mehr und mehr vom blutigen Bratensaft aufsog. »Auf blauäugigem Optimismus natürlich.«
    Themis’ Monitor schaltete sich ab. »Jetzt klingst du wie ein Zyniker«, hallte ihre körperlose Stimme durch den Raum.

38
    01.10.3042 A.D., 13:06
    System: Sol
    Planet: Erde
    Ort: Lantis Island, Bar Guilty Pleasure
    »Irgendjemand hier, Bruno, irgendjemand hier versucht, uns beide so richtig ordentlich zu ficken.« Pollock verkündete seine bittere Erkenntnis mit einem leichten Lallen in der Stimme. »Irgendjemand hier will es uns so richtig derb besorgen.«
    »Nicht ganz so laut, Sir«, bat der Barmann. »Die anderen Gäste …«
    Pollock schob ihm sein leeres Glas hin und deutete wahllos auf eine der Flaschen in den Regalen hinter dem Tresen. »Volltanken bitte.« Die anderen Gäste können mich mal dezent kreuzweise und mit Schokostreuseln.
    Das Guilty Pleasure befand sich auf einer der unteren Ebenen der Nabe. Nachdem Pollock Bruno in einem der automatisch gesteuerten Elektroflitzer von der Trooperstation abgeholt hatte, hatte er dem Fahrzeug als nächstes Ziel »die schäbigste Kaschemme, die du im Speicher hast« aufgetragen. Der Flitzer hatte sie schnell und sicher zum Guilty Pleasure gebracht, und beim Betreten der Bar hatte Pollock tatsächlich noch gedacht, es würde sich dabei um ein Wasserloch ganz nach seinem Geschmack handeln: schummerige Beleuchtung aus staubigen Lampen, dichter Rauch unter der niedrigen Decke, abgewetzte Lederpolster auf den Barhockern und den Bänken in den engen Nischen. Sogar der Barmann hatte eine richtig verschlagene Fresse und ein dreckiges Tuch in der Hand, mit dem er gelangweilt angeschlagene Gläser auswischte. Die Illusion hatte allerdings nicht lange vorgehalten: Der Staub auf den Lampen war zu dekorativ verteilt, der Rauch roch schwach nach Zimtaroma, die Polster waren offenkundig unter hohem Aufwand und mithilfe von Kratzwerkzeugen abgewetzt. Selbst das Gesicht des Barmanns war anhand verblasster, hauchfeiner Narben hinter den Ohren als Kunstwerk eines plastischen Chirurgen zu erkennen, der Dreck auf dem Tuch war nur aufgedruckt, und die Scharten in den Rändern der Gläser schön glatt geschmirgelt, damit man sich beim Trinken ja nicht in die Lippen schnitt. Kurzum: Das Guilty Pleasure war eine beschissene Lüge, eine Kulisse der Verkommenheit, in der sich Atlanter dem spannenden Gefühl hingeben konnten, arm und heruntergekommen zu sein. Im Paradies darf es wohl kein Ganz Unten geben …
    Pollock seufzte, legte Bruno den Arm um die Schultern und zog den Beta zu sich heran. »Zeig mal.« Bruno quiekte überrascht, als Pollock seinen Kopf nach unten drückte, um die Stelle zu inspizieren, an der man dem Beta einen Chip in den Nacken gepflanzt hatte. Sie sah aus wie ein aufgekratztes Muttermal. »Das tut mir echt leid, Bruno.