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Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)

Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)

Titel: Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Plischke
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wird.

42
    01.10.3042 A.D., 15:45
    System: Sol
    Planet: Erde
    Ort: Lantis Island, Apartment von Cathy Clark
    »Hier bitte nach rechts.«
    Die übertrieben höfliche Stimme des Butler-Avatars, der Bruno und Pollock durch die Behausung jener Frau lotste, von der sie sich Aufschluss über das genaue Ausmaß von Wilbur Lantis’ Skrupellosigkeit erhofften, ging Pollock von der ersten Sekunde an auf die Nerven. Aus unerfindlichen Gründen beunruhigte sie ihn, und einmal glaubte er sogar, der Avatar würde jeden Moment damit beginnen, einen Countdown für die komplette Säuberung des Komplexes einzuleiten.
    Er lenkte sich von solchen tristen Gedanken ab, indem er unterwegs das Interieur begutachtete: Cathy Clark hatte sich eine Zeitkapsel geschaffen, in der alles der Zukunft um mindestens fünfzig Jahre hinterherhinkte. Sämtliche Möbel hatten hier und da einen opulenten Schnörkel zu viel oder waren aus einem Material wie porigem Memoplast, das mit seinem organischen Look aus der Mode gekommen war und heute den wenig schmeichelhaften Spitznamen Tumorhaut trug. Die Dekogegenstände waren nach derzeitigen Maßstäben übelster Kitsch – Raumstationen nachempfundene Skulpturen im Neondesign, antike Prunkwaffen wie Krisdolche mit geflammten Klingen oder über einem Türsturz gekreuzte Krummsäbel, Modelle von Gensequenzen aus gesponnenem Glas und ähnlich scheußliches Zeug.
    Dieses Gefühl, versehentlich in die Vergangenheit geraten zu sein, war insofern keine Überraschung, als die Witwe eines der erfolgreichsten Generäle aus dem letzten Konkrieg ihr Domizil seit sechzig Jahren nicht mehr verlassen hatte. Ein Jahrzehnt nach ihrer Umsiedlung nach At Lantis – so besagte es die Kurzbiografie aus Brunos Liste mit den Bewohnern dieser Etage der Nabe – hatte Cathy offenbar beschlossen, die Luxusvariante eines Einsiedlerlebens zu führen. Und warum auch nicht? Das ist At Lantis. Es gibt nichts – buchstäblich nichts –, was sie sich nicht in ihre heimischen vier Wände liefern lassen könnte, wenn ihr der Sinn danach steht. Und dank ihres virtuellen Butlers braucht sie auch mit niemandem nur ein einziges Wort zu reden, mit dem sie nicht explizit und aus freien Stücken in Kontakt treten will. Hört sich ein bisschen nach dem Leben an, in das ich mich in meinem Exil zurückgezogen habe …
    »Hier links bitte.«
    Vor ihnen glitt eine Tür auf und gab den Blick in einen spärlich beleuchteten Raum frei. Das einzige Licht stammte von einem vielarmigen Kerzenständer, der eine mit Desserttellern, Teekannen und Kuchenplatten gedeckte Tafel dominierte. Auf schweren Holzstühlen mit hohen Lehnen saßen drei lebensechte Puppen: ein untersetzter, dunkelhäutiger Mann in einer mit glänzenden Orden behangenen Gardeuniform, dessen Oberlippe ein buschiger Schnauzbart zierte, eine vergleichsweise zerbrechlich wirkende Frau mit ausgeprägten Wangenknochen, die ein strenges Gewand in vergilbtem Weiß trug, und ein blasses Mädchen von sechs oder sieben Jahren, die dichte, dunkle Haarmähne zu zwei Zöpfen gebändigt.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz«, forderte der Butler-Avatar die Gäste auf, und noch einmal mechanisch – »Nehmen Sie doch bitte Platz«, als weder Bruno noch Pollock durch die Tür traten.
    »Dann wollen wir mal«, sagte Pollock mehr zu sich selbst und setzte sich auf einen der drei freien Stühle, direkt gegenüber der Frauenpuppe. Bruno wählte den Platz daneben und saß nun neben dem künstlichen Mädchen mit den Zöpfen.
    Die Tür glitt zu. Pollock und Bruno wechselten einen raschen Blick, Pollock zuckte mit den Achseln, der Beta bleckte die Nagezähne.
    »Tee, Mister Shermar?«
    Was zur …! Pollock zuckte erschrocken zusammen, als die Frauenpuppe ihn ansprach. Mit erstaunlich geschmeidigen Bewegungen griff sie nach der nächsten Kanne und lächelte, wobei sie den Kopf leicht schief legte.
    »Es ist Darjeeling.« Die Stimme war weich wie zu Silben gewobener Samt. »Frisch aufgebrüht.«
    »Miss Clark?«, fragte Pollock unsicher. Das ist nicht bloß eine Puppe. Das ist ein Neuroid. Eine Maschine, die man über seine Hirnströme fernlenkt. Pollock hatte bislang nur davon gehört, dass man Neuroiden querschnittgelähmten oder entstellten Unfallopfern zur Verfügung stellte, damit sie beim Warten auf ihre Genesung ihre Mobilität nicht völlig verloren und ihre sozialen Kontakte pflegen konnten – sofern die Patienten finanziell potent genug waren, sich ein solches Wunder der Medtech leisten zu können. Neuroiden

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