Justifiers - Hard to Kill: Justifiers-Roman 8 (German Edition)
alles, was Argon beträfe, solle sie mit Argon selbst abmachen und ihn da rauslassen.
»Ich …«, fing sie an, ohne genau zu wissen, wie es dann weitergehen würde, und auf einmal heulte sie los. Es kam so plötzlich, dass sie gar nicht wusste, wie ihr geschah, und noch dachte: Hör bloß auf mit dem Scheiß , als sie schon längst flennte wie ein kleines Kind. Es schüttelte sie regelrecht, und als sie versuchte, etwas zu sagen wie halb so schlimm oder geht gleich vorbei , brachte sie kein vernünftiges Wort heraus.
Glücklicherweise nahm er sie nicht in den Arm. Er murmelte nichts Tröstliches und sagte ihr nicht, alles werde gut. Er spottete auch nicht oder verlangte, sie solle sich gefälligst zusammenreißen. Er wartete nur, und als es so plötzlich verging, wie es angefangen hatte, kramte er in einer seiner tausend Taschen und reichte ihr ein Tuch.
»Besser?«
Schniefend putzte sie sich die Nase.
»Ist nur ein Reinigungstuch«, entschuldigte er sich. »Aber andererseits wird dann die Nase auch gleich richtig sauber.«
Sie musste lachen. »Scheiße. Tut mir leid. Ich bin … das ist mir echt peinlich.«
»Komm schon. Für ein Mädchen hältst du dich ganz gut.«
Sie stieß mit der Faust nach ihm, seine Schulter in dem leicht gepanzerten Flecktarn war solide wie eine Mauer. »Mann. Ich … ich weiß auch nicht. Ich fühle mich so verloren. Die Virago ist weg, und Gwenni und die anderen, und dann … Weißt du was? Ich habe keine Ahnung, warum ich es dir nicht so übel nehme. Die Sache mit der Kass…«
»Schsch«, machte er. »Ich weiß. Aber es liegt auf der Hand, weshalb es dir bei mir nicht so viel ausmacht. Von mir erwartest du nichts Besseres.«
»Das … das ist vielleicht ein bisschen hart.«
»Komm schon.« In seiner Stimme lag dieses kurze Grinsen, das sie manchmal denken ließ, dass sie ihn überhaupt nicht kannte, dass da ein zweiter, ganz anderer Wolf in ihm steckte und vielleicht dieser andere Wolf der echte war, der ab und zu durch die Fassade blitzte wie jemand, der aus dem Fenster seines Hauses schaut.
»Vielleicht ist da was dran«, gab sie widerwillig zu. »Aber es ist auch noch was anderes. Diese zweite Sache, die er uns sagen wollte, als das Erdbeben anfing. Das lässt mir keine Ruhe. Dir hat er noch nichts gesagt, oder?«
Im Dämmerlicht spürte sie seinen Blick, und ihr wurde klar, dass er sie ausgezeichnet sehen konnte. Peinlich berührt schaute sie weg.
»Wann?«, fragte er. »Wann hätte er das tun sollen?«
»Blöde Frage. Ich bin nur … ich weiß nicht.« Hilflos hob sie die Hände. »Ich weiß nicht, warum es mich so anfrisst. Ich meine, die Virago ist tot, Gwenni und Puke sind tot und Little auch und … was ist denn noch übrig? Du und ich und Toro und Argon. Mehr nicht. Das ist alles. Das ist verdammt noch mal alles, was ich noch habe. Und ich weiß nicht, ob es reicht.«
Er saß ganz ruhig. »Ob es wofür reicht?«
»Für ein Leben«, stieß sie hervor. »O Mann, das klingt so erbärmlich. Aber ich will es zurück. Ich will es zurück! Ich will das alles zurückhaben! Ich will Gwenni zurück und Puke und sogar den beschissenen Little, und ich will die Virago und Tina, und ich will nicht darüber nachdenken müssen, was Argon getan hat, damit er ein Justifier geworden ist, weil … irgendwas muss er ja getan haben, oder? Und ich will eigentlich gar nicht wissen, weshalb sie ihn so hassen. Die anderen. Eddie und Morbus und vor allem Nox. Nur dass er irgendeinen anderen Auftrag angenommen hat und dann nicht da war und ein anderer Scheiße gebaut hat, das kann’s ja nicht sein. Ich will wissen, was er getan hat. Und ich will es auf gar keinen Fall wissen. Ich habe so einen Schiss davor, dass ich etwas erfahre, mit dem ich nicht leben kann. Es ist doch sowieso schon alles kaputt. Es ist doch fast gar nichts mehr übrig.«
Falls Wolf von ihrem Ausbruch erschüttert war, ließ er sich nichts anmerken. Er nahm ihr das Reinigungstuch weg, wischte es an seiner Hose ab und reichte es ihr wieder. »Ich habe leider kein anderes.«
»Pfui Teufel«, kicherte sie und schniefte. »Mann, wenn du irgendwem erzählst, wie ich hier rumflenne …«
»Kein Wort. Aber ich erzähl dir was anderes.«
»Ach ja?« Sie schnäuzte sich und schaute den hellen Fleck seines Gesichts an. Allmählich hatten sich ihre Augen so gut ans Dunkel gewöhnt, dass sie seine Gesichtszüge erkannte.
»Was Argon als Justifier gemacht hat, weiß ich nicht.« Wolf rollte mit den Schultern und seufzte.
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