Justin Mallory 02 - Mallory und die Nacht der Toten
einen einzelnen.
Wie das Nashorn von den zeckenfressenden Vögeln vor näher kommender Gefahr gewarnt wird und die Gorgone dazu ihre Smerpe hat, so hat der Vampir seine eigenen Helfer. Üblicherweise nennt man sie Renfields, obwohl die Bezeichnung je nach Landschaft variiert. Diese Helfer bestehen aus den Einmalgebissenen und Zweimalgebissenen, die dem Vampir hörig sind und ihm als Späher dienen, als Informanten und nächtlicher Imbiss, häufig auch in allen drei Funktionen. Wenn Sie also einen Renfield durch die Leichenhalle gehen sehen, verhalten Sie sich mucksmäuschenstill, bis er seinem dunklen Gebieter signalisiert hat, dass keine Gefahr droht, und selbst dann noch sind Sie gut beraten, wenn Sie warten, bis sich der Vampir in seinem Sarg niedergelassen hat, und sich erst dann zeigen. Die meisten Renfields sind im Grunde genommen feige, und selbst die Ausnahmen zu dieser Regel kann man gewöhnlich mit einer Hand voll Insekten und Spinnen bestechen, die ihr wichtigstes Grundnahrungsmittel darstellen.
Dann geht es nur noch darum zu warten, bis der Renfield gegangen ist, den Sarg zu öffnen und den Holzpflock in den Vampir zu rammen. Ich ziehe Hickory vor, aber Eiche, Ahorn und sogar Rotholz wurden schon mit Erfolg eingesetzt. Vom Holz der afrikanischen Akazie würde ich Abstand nehmen, da man nie weiß, welcher Medizinmann es verflucht hat.
Ich sehe einige unglückliche Gesichter unter Ihnen. Ich weiß, ich weiß – Ihr Sportlerinstinkt treibt Sie in eine andere Richtung, denn auf die geschilderte Weise hat der Vampir keine sportliche Chance zu entkommen. Was ich jedoch immer wieder betonen muss: Er möchte gar nicht entkommen. Und er stellt sich Ihnen auch nicht zu fairen Bedingungen: Wenn er wach und auf der Pirsch ist, wird ihn nicht mal die Kugel aus einer.550er Nitro Express bremsen. Wenn Sie nahe genug an ihn herankommen, um den Holzpflock einrammen zu können, werden Sie ihn natürlich umbringen, aber er ist sich dessen so bewusst wie Sie und wird sich entsprechend vorsehen.
Wie nähert man sich nun einem Vampir?
Erneut erweist sich Ihr Gehirn als Ihre wichtigste Waffe. Gestatten Sie mir, Ihnen ein paar Beispiele zu schildern.
Vampire erzeugen, wie Sie wissen, keine Spiegelbilder. Sie könnten ihn anstarren, die Stirn runzeln und ihm einen Kamm anbieten. Das wäre ein sinnvolles Vorgehen, denn er hat ja keine Ahnung, in welchem Zustand seine Frisur ist, und wenn er die Hand ausstreckt, um den Kamm anzunehmen, stoßen Sie rasch mit dem Pflock zu.
Sollten Sie eine Frau sein – und diese Technik funktioniert nicht nur bei Vampiren, sondern bei allen als Menschen auftretenden Kreaturen, die man nicht aus der Distanz töten kann –, starren Sie einfach auf seinen Schritt und tun Sie so, als versuchten Sie angestrengt, nicht zu kichern. Er wird sich fragen, was los ist, Sie vielleicht sogar fragen. Erröten Sie dann einfach und sagen, dass natürlich nichts los ist, legen die Hand auf den Mund und ersticken ein Lachen. Früher oder später wird er den Blick senken, um nachzusehen, ob sein Hosenstall offen steht, und das ist der Augenblick, an dem Sie zum tödlichen Stoß ansetzen.
Oder Sie verwenden folgendes Verfahren, das beinahe nie schiefgeht. Sie planen, an einer Feier mit vielen Personen teilzunehmen, und Sie wissen, dass der Vampir bemerkt hat, wie Sie ihm folgen, und Sie dort auszuschalten plant. Suchen Sie dann die örtliche Kleintierhandlung auf, und erwerben Sie eine kleine Maus; sogar eine Laborratte wird reichen. Geben Sie das Tier einem Helfer, der ebenfalls an der Party teilnimmt. Sobald dieser Helfer sieht, dass der Vampir Sie sozusagen von der Meute getrennt und in die Ecke getrieben hat, lässt er die Maus frei. Zwangsläufig wird die erste Frau, die sie erblickt, laut aufschreien (und falls nicht, kann der Helfer ihr in den Hintern kneifen, um den Schrei zu erzeugen). Blicken Sie dann mit sehr besorgter Miene zu ihr hinüber und äußern sich dahingehend, gerade hätte ein Vampir vor aller Augen eine schöne junge Frau angegriffen. Der echte Vampir, dessen Instinkt ihn zwingt, sein Revier zu verteidigen, wird sich natürlich umdrehen und nachsehen – und in diesem Augenblick greifen Sie an.
Man kennt zahlreiche altbewährte Methoden, aber jede einzelne davon setzt den Gebrauch von Gehirnschmalz voraus, denn auf allen anderen Gebieten – abgesehen der Art und Weise, wie sich Ihre Pupillen an helles Sonnenlicht anpassen – ist er Ihnen überlegen.
Eine Methode muss ich noch
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