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Justiz

Justiz

Titel: Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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mit der Einschränkung freilich, daß ich auch Sie, samt der Gesellschaft, die sie von Amts wegen vertreten, zu dieser verbrecherischen Welt zähle, und nicht nur Lucky, den Marquis und mich.) Was das menschenähnliche Subjekt betrifft, so war es aus Neuchâtel hergespült worden. Samt einem offenen Jaguar. Eine Visage mit einem Lächeln, als käme der Kerl aus Caux, mit Manieren, als würde er Luxusseife verkaufen. Es ging gegen zehn nachts. Es war Sonntag (diesen Bericht schreibe ich Ende Juli 1958, schwacher Versuch, Ordnung in meine Papiere zu bringen). Draußen war ein Gewitter gewesen, ungeheure krachende Entladungen, der Regen rauschte noch, doch ohne Erleichterung zu bringen, es war schwül und dumpf. Unter mir dröhnten die Psalmen »Sinke, Welt, in Christi Arm, gehe fröhlich unter« und »Heiliger Geist, mit Blitz und Knall auf uns Sünder niederfall«. Lucky zupfte etwas geniert an seinem Schnurrbärtchen herum, schien mir leicht nervös, auch wiesen seine Apostelaugen einen grüblerischen Schimmer auf, den ich vorher noch nie an ihnen wahrgenommen hatte: Lucky dachte offenbar nach. Die beiden hatten Regenmäntel an, die jedoch so gut wie trocken waren.
    »Wir brauchen ein Alibi«, sagte Lucky kleinlaut, »der Marquis und ich. Für die letzten zwei Stunden.«
    Der Marquis lächelte salbungsvoll.
    »Und vor zwei Stunden?« fragte ich.
    »Da ist unser Alibi bombensicher«, beteuerte Lucky und sah mich lauernd an. »Wir waren mit Giselle und Madeleine im ›Monaco‹.«
    Der Marquis nickte bestätigend.
    Ich wollte wissen, ob sie unbemerkt zu mir gekommen seien.
    Lucky war wie immer Optimist. »Erkannt hat uns niemand«, behauptete er. »Da sind Schirme praktisch.«
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    Ich überlegte. »Wo habt ihr die Schirme?« fragte ich dann, erhob mich von meinem Schreibtischsessel und schloß meine Papiere ein.
    »Drunten. Wir haben sie hinter die Kellertür gestellt.«
    »Gehören sie euch?«
    »Wir haben sie gefunden.«
    »Wo?«
    »Auch im ›Monaco‹.«
    »Ihr habt sie also vor zwei Stunden mitlaufen lassen?«
    »Es hat geregnet.«
    Lucky spürte besorgt, daß mich seine Antworten nicht begeisterten. Er holte hoffnungsvoll aus seinem Mantel eine Flasche Cognac Napoleon, und auch der Marquis zauberte eine solche auf den Schreibtisch.
    »Schön«, nickte ich, »das sind menschlichere Züge.«
    Dann legten die beiden je einen Tausenderlappen hin.
    »Wir sind splendide Geschäftsleute«, stellte Lucky fest.
    Ich schüttelte den Kopf. »Mein lieber Lucky«, bedauerte ich,
    »wegen einer falschen Aussage sitze ich prinzipiell nicht.«
    »Begriffen«, sagte Lucky.
    Die beiden stifteten noch je einen Tausender.
    Ich ließ mich nicht erweichen. »Die Geschichte mit den Schirmen ist zu blöd«, stellte ich fest.
    »Die Polizei sucht uns ja nicht der Schirme wegen«, wandte Lucky ein, doch war es ihm dabei sichtlich nicht geheuer.
    »Aber sie könnte euch der Schirme wegen auf die Spur kommen«, gab ich zu bedenken.
    »Kapiert«, sagte Lucky.
    Die beiden opferten wieder je einen Tausender.
    Ich staunte. »Ihr seid wohl Millionäre geworden?«
    »Man hat so seine Einkünfte«, sagte Lucky. »Wenn wir den Rest bekommen, hauen wir ab. Ins Ausland.«
    »Welchen Rest?«
    »Den Rest vom Honorar«, erklärte der Marquis.
    »Von welchem Honorar?« fragte ich mißtrauisch.
    »Für einen Auftrag, den wir erledigt haben«, präzisierte Lucky.
    »Sind wir in Nizza, übergebe ich dir Giselle und Madeleine.«
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    »Ich überlasse Ihnen meine Mädchen«, versicherte der Marquis.
    »Neuchâtel ist praktisch.«
    Ich prüfte die Scheine sorgfältig, faltete sie zusammen und steckte sie in die hintere Hosentasche. Lucky wollte Genaueres berichten, doch ich unterbrach ihn: »Ein für allemal: weshalb ihr das Alibi braucht, will« ich nicht wissen.«
    »Pardon«, entschuldigte sich Lucky.
    »Rückt mal eure Zigaretten raus«, befahl ich dann.
    Lucky war mit Zigaretten vollgestopft: Camel, Dunhill, Black and White, Super King, Piccadilly. Die Pakete häuften sich auf dem Schreibtisch.
    »Eine Freundin hat einen Kiosk«, entschuldigte er sich.
    »Und was raucht der Herr Marquis?«
    »Nur selten«, lispelte der verlegen.
    »Du hast keine Zigaretten bei dir?«
    Der Marquis schüttelte den Kopf.
    Ich setzte mich wieder hinter den Schreibtisch. Wir mußten handeln.
    »Jetzt rauchen wir eine halbe Stunde lang«, ordnete ich an, »so viel und so schnell wie möglich. Ich Camel, Lucky die langen Super King, der Marquis in Gottes Namen Dunhill. Die

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