Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Justiz

Justiz

Titel: Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
Vom Netzwerk:
Zigaretten so rauchen, daß man noch die Marke sieht, dann ausdrücken und alle in den gleichen Aschenbecher. Am Schluß nimmt jeder eine aufgebrochene Schachtel mit.«
    Wir qualmten auf Tod und Leben. Wir hatten es bald los, vier Zigaretten auf einmal anzurauchen, dann brannten sie von selber ab.
    Draußen donnerte das Gewitter von neuem los, und unter uns heulten die Psalmen auf: »Zermalme, Gott, uns Otternbrut, zerschmettre, Jesu, unser Gut, wir haben Dich geschlachtet, den Heiligen Geist mißachtet.«
    »Ich rauche sonst eigentlich überhaupt nie«, stöhnte der Marquis.
    Es ging ihm so schlecht, daß er beinahe menschlich wurde.
    Nach einer halben Stunde häuften sich im Aschenbecher die Zigarettenstummel. Die Luft war lebensgefährlich, denn wir hatten das Fenster geschlossen. Wir verließen das Zimmer und liefen ein Stockwerk tiefer in die Arme der Polizei, doch galt ihr Besuch nicht 111
    uns, sondern den Heiligen vom Uetli. Nachbarn, die ohne Psalmen zur Hölle zu fahren wünschten, hatten protestiert. Der dicke Stuber von der Sittenpolizei rüttelte an der Tür, seine zwei Begleiter, Streifenpolizisten, betrachteten uns argwöhnisch, wir drei waren bekannte Persönlichkeiten.
    »Aber Stuber«, sagte ich, »Sie sind doch bei der Sittenpolizei und haben nichts mit Heiligen zu tun.«
    »Passen Sie lieber auf Ihre Heiligen auf«, brummte Stuber und ließ uns vorbei.
    »Hurenanwalt«, rief mir einer der Streifenpolizisten nach.
    »Wir marschierten am besten gleich zur Hauptwache«, stöhnte Lucky. Die Polizei hatte ihn demoralisiert. Der Marquis schien vor Entsetzen zu beten. Ich ahnte, daß ich mich in etwas Bedenkliches eingelassen hatte.
    »Unsinn«, machte ich den beiden Mut. »Etwas Besseres als die Polizei hätte uns nicht begegnen können.«
    »Die Schirme …«
    »Die beseitige ich später.«
    Die frische Luft tat uns gut. Der Regen hatte aufgehört. Die Straßen waren belebt, und in der Niederdorfstraße gingen wir ins
    ›Monaco‹. Giselle war noch da, Madeleine nicht mehr (jetzt weiß ich ihren Namen), dafür aber Corinne und Paulette, die Neuen in Luckys Diensten, eben aus Genf importiert, alle drei fein hergerichtet, den Preisen entsprechend, und schon einige Freier hinter sich.
    »Sieht der Marquis grün aus«, rief Giselle und winkte. »Was habt ihr denn mit dem angerichtet?«
    »Wir haben zwei Stunden gepokert«, erklärte ich, »und der Marquis mußte mitrauchen. Zur Strafe, daß er dich Lucky abspannen wollte.«
    »Je m'en suis pas rendue compte«, sagte Paulette.
    »Geschäfte wickeln sich in der Stille ab.«
    »Et le résultat?«
    »Ich bin jetzt dein Rechtsanwalt«, erklärte ich. Paulette staunte. Ich wandte mich Alphons zu. Der Barmann hatte eine Hasenscharte und wusch Gläser hinter der Theke. Ich verlangte Whisky. Alphons stellte drei Sixty-Nine vor uns hin. Ich trank mein Glas in einem Zug 112
    hinunter, sagte zum Barmann »Die Herren bezahlen« und verließ das
    ›Monaco‹. Als ich mich kaum zehn Schritte vom Eingang entfernt hatte, hörte ich einen Wagen halten. Ich beobachtete, wie der Kommandant mit drei Detektiven vom Morddezernat die Bar betrat.
    Ich drückte mich um die nächste Ecke und in die übernächste Kneipe. Auch später hatte ich Glück (wenigstens einmal): Stuber und die zwei Streifenpolizisten befanden sich nicht mehr im Haus an der Spiegelgasse, als ich eine Stunde später zurückkehrte. Es war still, auch die Uetli-Brüder mußten sich verzogen haben. Die beiden Schirme fand ich hinter der Kellertür. Ich wollte damit schon in den Keller hinuntersteigen, um sie dort zu verbergen, als ich auf eine andere Idee kam. Ich stieg die Treppe hinauf. Vor dem Lokal der Sekte war es still. Die Tür war unverschlossen, ich hätte sie sonst mit dem Hausschlüssel geöffnet, der wie bei vielen alten Häusern für alle Türen brauchbar war.
    Ich betrat einen Vorraum. Er war nur spärlich vom Treppenhaus her beleuchtet. Neben der Tür stand ein Schirmständer mit einigen Schirmen. Ich stellte die beiden nassen Schirme zu den anderen, schloß die Tür sorgfältig und stieg zu meiner Wohnung hinauf. Ich machte Licht. Das Fenster stand weit offen. Im Lehnstuhl saß der Kommandant.
    »Hier ist viel geraucht worden«, sagte er und schaute auf den mit Kippen gefüllten Aschenbecher. »Ich habe das Fenster geöffnet.«
    »Lucky und der Marquis sind bei mir gewesen«, erklärte ich.
    »Der Marquis?«
    »So eine Type aus Neuchâtel.«
    »Sein Name?«
    »Will ich lieber nicht

Weitere Kostenlose Bücher