Kabale und Liebe
behaupten?
Hofmarschall. Mort de ma vie! Ich will ihn schon waschen! Ich will dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden.
Präsident. Nun geht's nach Wunsch. Der Brief muß noch heute geschrieben sein. Sie müssen vor Abend noch herkommen, ihn abzuholen und Ihre Rolle mit mir zu berichtigen.
Hofmarschall. Sobald ich sechzehn Visiten werde gegeben haben, die von allerhöchster Importance sind. Verzeihen Sie also, wenn ich mich ohne Aufschub beurlaube. (Geht.)
Präsident (klingelt). Ich zähle auf Ihre Verschlagenheit, Marschall.
Hofmarschall (ruft zurück). Ah, mon Dieu!—Sie kennen mich ja.
Dritte Scene.
Der Präsident und Wurm.
Wurm. Der Geiger und seine Frau sind glücklich und ohne alles Geräusch in Verhaft gebracht. Wollen Ew. Excellenz jetzt den Brief überlesen?
Präsident (nachdem er gelesen). Herrlich! herrlich, Secretär! Auch der Marschall hat angebissen!—Ein Gift wie das müßte die Gesundheit selbst in eiternden Aussatz verwandeln—Nun gleich mit den Vorschlägen zum Vater, und dann warm zu der Tochter. (Gehen ab zu verschiedenen Seiten.)
Vierte Scene.
Zimmer in Millers Wohnung.
Luise und Ferdinand.
Luise. Ich bitte dich, höre auf. Ich glaube an keine glücklichen
Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken.
Ferdinand. So sind die meinigen gestiegen. Mein Vater ist aufgereizt; mein Vater wird alle Geschütze gegen uns richten. Er wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen. Ich stehe nicht mehr für meine kindliche Pflicht. Wuth und Verzweiflung werden mir das schwarze Geheimniß seiner Mordthat erpressen. Der Sohn wird den Vater in die Hände des Henkers liefern—Es ist die höchste Gefahr—und die höchste Gefahr mußte da sein, wenn meine Liebe den Riesensprung wagen sollte—Höre, Luise—Ein Gedanke, groß und vermessen wie meine Leidenschaft, drängt sich vor meine Seele—Du, Luise, und ich und die Liebe!—liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?
Luise. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblasse über Das, was du sagen willst.
Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Forderung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und Alles verloren werden kann?—Wird dieses Aug nicht eben so schmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt, oder im baltischen Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt. Deine Fußtapfe in wilden, sandigten Wüsten mir interessanter, als das Münster in meiner Heimath—Werden wir die Pracht der Städte vermissen? Wo wir sein mögen, Luise, geht eine Sonne auf, eine unter—Schauspiele, neben welchen der üppigste Schwung der Künste verblaßt. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet die Nacht mit begeisterndem Schauern auf, der wechselnde Mond predigt uns Buße, und eine andächtige Kirche von Sternen betet mit uns. Werden wir uns in Gesprächen der Liebe erschöpfen?—Ein Lächeln meiner Luise ist Stoff für Jahrhunderte, und der Traum des Lebens ist aus, bis ich diese Thräne ergründe.
Luise. Und hättest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?
Ferdinand (sie umarmend). Deine Ruhe ist meine heiligste.
Luise (sehr ernsthaft). So schweig und verlaß mich—Ich habe einen Vater, der kein Vermögen hat, als diese einzige Tochter—der morgen sechzig wird—der der Rache des Präsidenten gewiß ist.-Ferdinand (fällt rasch ein). Der uns begleiten wird. Darum keinen Einwurf mehr, Liebe. Ich gehe, mache meine Kostbarkeiten zu Geld, erhebe Summen auf meinen Vater. Es ist erlaubt, einen Räuber zu plündern, und sind seine Schätze nicht Blutgeld des Vaterlands?—Schlag ein Uhr um Mitternacht wird ein Wagen hier anfahren. Ihr werft euch hinein. Wir fliehen.
Luise. Und der Fluch deines Vaters uns nach?—ein Fluch, Unbesonnener, den auch Mörder nie ohne Erhörung aussprechen, den die Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade hält, der uns Flüchtlinge unbarmherzig wie ein Gespenst von Meer zu Meer jagen würde?—Nein, mein Geliebter! Wenn nur ein Frevel dich mir erhalten kann, so hab' ich noch Stärke, dich zu verlieren.
Ferdinand (steht still und murmelt düster). Wirklich?
Luise. Verlieren!—O, ohne Grenzen entsetzlich ist der Gedanke—gräßlich genug, den unsterblichen Geist zu durchbohren und die glühende Wange der Freude zu bleichen—Ferdinand! dich zu verlieren! Doch, man verliert ja nur, was man besessen hat, und dein Herz gehört deinem Stande—Mein Anspruch war Kirchenraub, und schaudernd
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