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Kabale und Liebe

Kabale und Liebe

Titel: Kabale und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schiller
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werden—Verletzung der Majestät—Himmlische Vorsicht! Rette! o rette meinen sinkenden Glauben!—Und Ferdinand?
    Wurm. Wählt Lady Milford, oder Fluch und Enterbung.
    Luise. Entsetzliche Freiheit!—Und doch—doch ist er glücklicher. Er hat keinen Vater zu verlieren. Zwar keinen haben, ist Verdammniß genug!—Mein Vater auf Verletzung der Majestät—mein Geliebter die Lady oder Fluch und Enterbung—Wahrlich bewundernswerth! Eine vollkommene Büberei ist auch eine Vollkommenheit—Vollkommenheit? Nein! dazu fehlt noch etwas—Wo ist meine Mutter?
    Wurm. Im Spinnhaus.
    Luise (mit schmerzvollem Lächeln). Jetzt ist es völlig!—Völlig, und jetzt wär' ich ja frei—Abgeschält von allen Pflichten—und Thränen—und Freuden. Abgeschält von der Vorsicht. Ich brauch' sie ja nicht mehr—(Schreckliches Stillschweigen.) Haben Sie vielleicht noch eine Zeitung? Reden Sie immerhin. Jetzt kann ich Alles hören.
    Wurm. Was geschehen ist, wissen Sie.
    Luise. Also nicht, was noch kommen wird? (Wiederum Pause, worin sie den Secretär von oben bis unten ansieht.) Armer Mensch! du treibst ein trauriges Handwerk, wobei du unmöglich selig werden kannst. Unglückliche machen, ist schon schrecklich genug, aber gräßlich ist's, es ihnen verkündigen—ihn vorzusingen, den Eulengesang, dabei stehn, wenn das blutende Herz am eisernen Schaft der Nothwendigkeit zittert und Christen an Gott zweifeln—Der Himmel bewahre mich! Und würde dir jeder Angsttropfe, den du fallen siehst, mit einer Tonne Golds aufgewogen—ich möchte nicht du sein—Was kann noch geschehen?
    Wurm. Ich weiß nicht.
    Luise. Sie wollen nicht wissen?—Diese lichtscheue Bothschaft fürchtet das Geräusch der Worte, aber in der Grabesstille Ihres Gesichts zeigt sich mir das Gespenst—Was ist noch übrig?—Sie sagten vorhin, der Herzog wollte es auffallend ahnden? Was nennen Sie auffallend?
    Wurm. Fragen Sie nichts mehr.
    Luise. Höre, Mensch! Du gingst beim Henker zur Schule. Wie verstündest du sonst, das Eisen erst langsam bedächtlich an den knirschenden Gelenken hinaufzuführen und das zuckende Herz mit dem Streich der Erbarmung zu necken?—Welches Schicksal wartet auf meinen Vater? Es ist Tod in Dem, was du lachend sagst; wie mag Das aussehen, was du an dich hältst? Sprich es aus. Laß mich sie auf einmal haben, die ganze zermalmende Ladung. Was wartet auf meinen Vater?
    Wurm. Ein Criminal-Proceß.
    Luise. Was ist aber das?—Ich bin ein unwissendes, unschuldiges Ding, verstehe mich wenig auf eure fürchterlichen lateinischen Wörter. Was heißt Criminal-Proceß?
    Wurm. Gericht um Leben und Tod.
    Luise (standhaft). So dank' ich Ihnen! (Sie eilt schnell in ein
Seitenzimmer.)
    Wurm (steht betroffen da). Wo will das hinaus! Sollte die Närrin etwa?—Teufel! Sie wird doch nicht—Ich eile nach—ich muß für ihr Leben bürgen. (Im Begriff, ihr zu folgen.)
    Luise (kommt zurück, einen Mantel umgeworfen). Verzeihen Sie,
Secretär. Ich schließe das Zimmer.
    Wurm. Und wohin denn so eilig?
    Luise. Zum Herzog. (Will fort.)
    Wurm. Was? Wo hin? (Er hält sie erschrocken zurück.)
    Luise. Zum Herzog. Hören Sie nicht? Zu eben dem Herzog, der meinen Vater auf Tod und Leben will richten lassen—Nein! nicht will—muß richten lassen, weil einige Böswichter wollen; der zu dem ganzen Proceß der beleidigten Majestät nichts hergibt, als eine Majestät und seine fürstliche Handschrift.
    Wurm (lacht überlaut). Zum Herzog!
    Luise. Ich weiß, worüber Sie lachen—aber ich will ja auch kein Erbarmen dort finden—Gott bewahre mich! nur Ekel—Ekel nur an meinem Geschrei. Man hat mir gesagt, daß die Großen der Welt noch nicht belehrt sind, was Elend ist—nicht wollen belehrt sein. Ich will ihm sagen, was Elend ist—will es ihm vormalen in allen Verzerrungen des Todes, was Elend ist—will es ihm vorheulen in Mark und Bein zermalmenden Tönen, was Elend ist—und wenn ihm jetzt über der Beschreibung die Haare zu Berge fliegen, will ich ihm noch zum Schluß in die Ohren schrei'n, daß in der Sterbestunde auch die Lungen der Erdengötter zu röcheln anfangen und das jüngste Gericht Majestäten und Bettler in dem nämlichen Siebe rüttelt. (Sie will gehen.)
    Wurm (boshaft freundlich). Gehen Sie, o gehen Sie ja. Sie können wahrlich nichts Klügeres thun. Ich rathe es Ihnen, gehen Sie, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß der Herzog willfahren wird.
    Luise (steht plötzlich still). Wie sagen Sie?—Sie rathen mir selbst dazu? (Kommt schnell zurück.) Hm! Was will

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