Kabale und Liebe
(drohend) entdecken muß.
Luise (gelassen und edel). Und wenn Sie es nun entdeckten? Und wenn Ihr verächtlicher Fersenstoß den beleidigten Wurm aufweckte, dem sein Schöpfer gegen Mißhandlung noch einen Stachel gab?—Ich fürchte Ihre Rache nicht, Lady—Die arme Sünderin auf dem berüchtigten Henkerstuhl lacht zum Weltuntergang. Mein Elend ist so hoch gestiegen, daß selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr vergrößern kann. (Nach einer Pause sehr ernsthaft.) Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen. Ich will sie nicht zergliedern, diese verdächtige Gnade. Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte, mich für die Thörin zu halten, die über ihre Herkunft erröthet? Was sie berechtigen konnte, sich zur Schöpferin meines Glücks aufzuwerfen, ehe sie noch wußte, ob ich mein Glück auch von ihren Händen empfangen wollte?—Ich hatte meinen ewigen Anspruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich hatte dem Glück seine Übereilung vergeben—Warum mahnen Sie mich aufs Neu an dieselbe?—Wenn selbst die Gottheit dem Blick der Erschaffenen ihre Strahlen verbirgt, daß nicht ihr oberster Seraph vor seiner Verfinsterung zurückschaure—warum wollen Menschen so grausam-barmherzig sein?—Wie kommt es, Milady, daß Ihr gepriesenes Glück das Elend so gern um Neid und Bewunderung anbettelt?—Hat Ihre Wonne die Verzweiflung so nöthig zur Folie?—O lieber! so gönnen Sie mir doch eine Blindheit, die mich allein noch mit meinem barbarischen Loos versöhnt—Fühlt sich doch das Insekt in einem Tropfen Wassers so selig, als wär' es ein Himmelreich, so froh und so selig, bis man ihm von einem Weltmeer erzählt, worin Flotten und Wallfische spielen!—Aber glücklich wollen Sie mich ja wissen? (Nach einer Pause plötzlich zur Lady hintretend und mit Überraschung fragend:) Sind Sie glücklich, Milady? (Diese verläßt sie schnell und betroffen, Luise folgt ihr und hält ihr die Hand vor den Busen.) Hat dieses Herz auch die lachende Gestalt Ihres Standes? Und wenn wir jetzt Brust gegen Brust und Schicksal gegen Schicksal auswechseln sollten—und wenn ich in kindlicher Unschuld—und wenn ich auf Ihr Gewissen—und wenn ich als meine Mutter Sie fragte—würden Sie mir wohl zu dem Tausche rathen?
Lady (heftig bewegt in den Sopha sich werfend). Unerhört! Unbegreiflich! Nein, Mädchen! Nein! Diese Größe hast du nicht auf die Welt gebracht, und für einen Vater ist sie zu jugendlich. Lüge mir nicht. Ich höre einen andern Lehrer-Luise (fein und scharf ihr in die Augen sehend). Es sollte mich doch wundern, Milady, wenn Sie jetzt erst auf diesen Lehrer fielen, und doch vorhin schon eine Condition für mich wußten.
Lady (springt auf). Es ist nicht auszuhalten!—Ja denn! weil ich dir doch nicht entwischen kann. Ich kenn' ihn—weiß Alles—weiß mehr, als ich wissen mag. (Plötzlich hält sie inne, darauf mit einer Heftigkeit, die nach und nach bis beinahe zum Toben steigt.) Aber wag' es, Unglückliche—wag' es, ihn jetzt noch zu lieben oder von ihm geliebt zu werden—Was sage ich?—Wag' es, an ihn zu denken oder einer von seinen Gedanken zu sein—Ich bin mächtig, Unglückliche—fürchterlich—so wahr Gott lebt! Du bist verloren!
Luise (standhaft). Ohne Rettung, Milady, sobald Sie ihn zwingen, daß er Sie lieben muß.
Lady. Ich verstehe dich—aber er soll mich nicht lieben. Ich will über diese schimpfliche Leidenschaft siegen, mein Herz unterdrücken und das deinige zermalmen—Felsen und Abgründe will ich zwischen euch werfen; eine Furie will ich mitten durch euren Himmel gehen; mein Name soll eure Küsse, wie ein Gespenst Verbrecher, auseinander scheuchen; deine junge blühende Gestalt unter seiner Umarmung welk, wie eine Mumie, zusammenfallen—Ich kann nicht mit ihm glücklich werden—aber du sollst es auch nicht werden—Wisse das, Elende! Seligkeit zerstören ist auch Seligkeit.
Luise. Eine Seligkeit, um die man Sie schon gebracht hat, Milady. Lästern Sie Ihr eigenes Herz nicht. Sie sind nicht fähig, Das auszuüben, was Sie so drohend auf mich herabschwören. Sie sind nicht fähig, ein Geschöpf zu quälen, das Ihnen nichts zu Leide gethan, als daß es empfunden hat wie Sie—Aber ich liebe Sie um dieser Wallung willen, Milady.
Luise (die sich jetzt gefaßt hat). Wo bin ich? Wo war ich? Was hab' ich merken lassen? Wen hab' ich's merken lassen?—O Luise, edle, große, göttliche Seele! Vergib's einer Rasenden—Ich will dir kein Haar kränken, mein Kind. Wünsche! Fordre! Ich will
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