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Kabale und Liebe

Kabale und Liebe

Titel: Kabale und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schiller
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Unschuld?—Und es ist so menschlich, dieses Mädchen zu lieben?
    Präsident. Sage so: es ist Verbrechen, sie nicht zu lieben.
    Ferdinand. Unerhört! Ungeheuer!—Und Sie schauen ja doch sonst die Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses! —Heuchelei ohne Beispiel—Diese Millerin, Vater-Präsident. Ist es werth, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend für Ahnen und ihre Schönheit für Gold. Meine Grundsätze weichen deiner Liebe—Sie sei dein!
    Ferdinand (stürzt fürchterlich aus dem Zimmer). Das fehlte noch!
—Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.)
    Präsident (ihm nachgehend). Bleib! Bleib! Wohin stürmst du? (Ab.)
    Sechste Scene.
    Ein prächtiger Saal bei der Lady.
    Lady und Sophie treten herein.
    Lady. Also sahst du sie? Wird sie kommen?
    Sophie. Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand und wollte sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden.
    Lady. Sage mir nichts von ihr—Stille—wie eine Verbrecherin zittre ich, die Glückliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich harmonisch fühlt—Und wie nahm sie sich bei der Einladung?
    Sophie. Sie schien bestürzt, wurde nachdenkend, sah mich mit großen Augen an und schwieg. Ich hatt mich schon auf ihre Ausflüchte vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz überraschte, zur Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten wollte.
    Lady (sehr unruhig). Laß mich, Sophie. Beklage mich. Ich muß erröthen, wenn sie nur das gewöhnliche Weib ist, und wenn sie mehr ist, verzagen.
    Sophie. Aber, Milady—das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu
empfangen. Erinnern Sie sich, wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt,
Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muß die stolze
Pracht Ihres Anblicks erheben.
    Lady (zerstreut). Was schwatzt die Närrin da?
    Sophie (boshaft). Oder ist es vielleicht Zufall, daß eben heute die kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, daß eben heute der reichste Stoff Sie bekleiden muß—daß Ihre Antichambre von Heiducken und Pagen wimmelt und das Bürgermädchen im fürstlichen Saal Ihres Palastes erwartet wird?
    Lady (auf und ab voll Erbitterung). Verwünscht! Unerträglich! Daß Weiber für Weiberschwächen solche Luchsaugen haben!—Aber wie tief, wie tief muß ich schon gesunken sein, daß eine solche Creatur mich ergründet!
    Ein Kammerdiener (tritt auf). Mamsell Millerin-Lady (zu Sophien). Hinweg, du! Entferne dich! (Drohend, da diese noch zaudert.) Hinweg! Ich befehl' es! (Sophie geht ab, Lady macht einen Gang durch den Saal.) Gut! Recht gut, daß ich in Wallung kam! Ich bin, wie ich wünschte! (Zum Kammerdiener.) Die Mamsell mag hereintreten. (Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sopha und nimmt eine vornehm-nachlässige Lage an.)
    Siebente Scene.
    Luise Millerin tritt schüchtern herein und bleibt in einer großen
Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Rücken zugewandt und
betracht sie eine Zeit lang aufmerksam in dem gegenüber stehenden
Spiegel. (Nach einer Pause.)
    Luise. Gnädige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.
    Lady (dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopfe, fremd und zurückgezogen). Aha! Ist Sie hier?—Ohne Zweifel die Mamsell—eine gewisse—wie nennt man Sie doch?
    Luise (etwas empfindlich). Miller nennt sich mein Vater, und Ihro
Gnaden schickten nach seiner Tochter.
    Lady. Recht! Recht! ich entsinne mich—die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. (Nach einer Pause vor sich.) Seht interessant, und doch keine Schönheit—(Laut zu Luisen.) Treten Sie näher, mein Kind. (Wieder vor sich.) Augen, die sich im Weinen übten—Wie lieb' ich sie, diese Augen! (Wiederum laut.) Nur näher—Nur ganz nah—Gutes Kind, ich glaube, du fürchtest mich?
    Luise (groß, mit entschiedenem Ton). Nein, Milady. Ich verachte das
Urtheil der Menge.
    Lady (vor sich). Sieh doch! und diesen Trotzkopf hat sie von ihm. (Laut.) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben und sonst auch zu leben wissen—Nun ja. Ich will's glauben—auch nähm' ich die ganze Welt nicht, einen so warmen Fürsprecher Lügen zu strafen.
    Luise. Doch kenn' ich Niemand, Milady, der sich Mühe gäbe, mir eine
Patronin zu suchen.
    Lady (geschraubt). Mühe um die Clientin oder Patronin?
    Luise. Das ist mir zu hoch, gnädige Frau.
    Lady. Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuthen läßt!
Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?
    Luise. Sechzehn gewesen.
    Lady (steht rasch auf). Nun ist's heraus! Sechzehn Jahre!

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