Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
einhacken, wenn er/sie nicht meiner Meinung wäre – abzulenken. Thema Sex ist a bgeschlossen (vorerst) und Verena erzählt, dass sie in Barcelona gewesen ist, vor zwei Jahren, und es ihr gut gefallen hat.
Der stämmige Türke, der kein Türke ist, setzt sich zu unserem Tisch und haut sich ordentlich seine gegrillten Auberginen rein. Seine wie Wasserfall dunstende Haut hat sich ein wenig ber uhigt, vielleicht weil es hier im Wohnzimmer kühler ist, ganz anders als draußen im Unkrautgarten (alles muss naturbelassen sein). Dann fängt sich der stämmige Türke an zu kratzen. Zuerst denke ich, es handle sich vielleicht um mangelnde Hygiene, aber dann bemerke ich, dass es immer nur eine Stelle an seinem Handgelenk ist, die er schon bald wund gekratzt hat. Sofort denke ich an Tumore. Keine Ahnung warum. Es ist ein hässliches Wort, das er sicherlich nicht von mir hören möchte. Während er am Tisch sitzt und isst und sich kratzt, kann ich buchstäblich das Wachstum des Ungeheuers an seinem Handgelenk verfolgen. Schimmelartig sieht es aus. Ich lege das Gurkenstück – längsgeschnitten – wieder auf meinen Teller zurück.
Das rothaarige Mädchen und sein drahtiger Freund verkünden ihre Heiratswünsche. Oh mein Gott, die Alternativen möchten den Bund der Ehe zelebrieren. Verena wendet ein, dass man nicht heiraten muss, um glücklich zu sein, es reicht, wenn man im Geiste miteinander den Bund fürs L eben besiegelt.
(Weise Worte! Welcher indische Guru war wohl ihr Lehrer?)
„Ein schöner Gedanke“, sage ich und denke mir aber, dass eine Hochzeit nach wie vor nur Aufwand bedeutet. Sofort fallen alle (wie ein Schwarm Fliegen) über das Paar her (ich bin da die blinde Fliege unter ihnen) und beglückwünschen das frisch verlobte Paar. Aber jede blinde Fliege findet einmal ein Korn, oder war das ein Fasan? Auf jeden Fall gehe ich ebenfalls zu den Alternativen zum Nebentisch und sage, dass ich mich für sie freue. Am Tisch nicke ich noch immer – weil meine Freudensverkündung nur ein Händedruck war und keine Umarmung. Ich nicke nach einer Zeit noch immer. Nicken kann ich gut, ist wie blasen, nur erregt es kein öffentliches Ärgernis, wenn man es macht. Dann genehmige ich mir noch ein Bier. Voll gut. Gott, tut das gut. Nachdem sie sich alle wieder beruhigt haben, wird der stämmige Türke wieder an den Griller geschickt, um weiter zu grillen. (Auch Sklaven müssen ihren Beitrag leisten, wie im antiken Griechenland.) He, wir haben noch Hunger und Geld zum Ausgeben scheint reichlich vorhanden zu sein. Aus dem Keller wird noch eine Flasche Weiswein geholt und ab geht die Post mit diesen alternativen Eso-veganen-bio-öko-Typen.
„Wir fragen uns, ob wir nicht ein Zelt mieten sollen“, sagt das rothaarige Ding und bei diesen Sätzen wabbelt ihr Vorbau unermüdlich hin und her. „Ein Hotelsaal wäre aber auch eine Opt ion“, sagt der drahtige Typ. Mir scheint, die haben alle Geld ohne Ende und meine Konzentration lässt langsam nach. Ich bin ja nur heilfroh, dass mein Magen alle ihm zugeführten Speisen und Getränke behält und sich nicht übergibt, ich würde den stämmigen Türken ja dadurch kränken und das will ich nicht – will keiner. Sein Tumor am Handgelenk wird größer, ich sehe ihn wachsen wie den Schimmel auf einem Marmeladenbrot, das man im Sommer auf einem Fensterbrett vergessen hat. Und irgendwann geht das Marmeladenbrot von selber fort und entsorgt sich im Biomülleimer – dort gehört es auch hin! Claudia sagt etwas zu mir, aber sie hätte genauso gut Rumänisch mit mir sprechen können, ich hätte sie nicht verstanden. Ich hebe meine Bierfalsche (Stiegler, was sonst) und sage: „Ein Hoch auf das Paar!“
In meinem Kopf drücke ich das Gaspedal durch und bin so schnell es geht bei Alice Cooper, blas ihm seinen Schwanz bis er spritzt und erhalte dafür ein bisschen Koks. Ach, wie herrlich wäre jetzt ein Tütchen. Das Tütchen lässt mich vergessen – alles –, munter werden, fli egen, weit weg von hier, so weit nach oben wie nur irgendwie möglich, dort bleibt mir dann die Luft weg und ich falle (wenn die Gelüste und die Wirkung des Koks’ nachlassen) sehr tief, in ein Loch, in mein Loch? Ne, ich fick mich ja nicht selber?
Oh, bloß nicht ans Ficken denken. Schmerzen im Unterleib , ist ein harter Gedanke, aber er stammt tatsächlich von mir.
Und am Anfang merkt man gar nicht, dass man das Koks so gern hat, es ist immer da und man nimmt es einfach, so ganz ohne
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