Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
ein Ausdruck ihrer inneren Unruhe war, jetzt, da sie dem Täter näher rückten? Oder konnte es ein Resultat von Schlafmangel und schlechten Träumen sein?
„In Ordnung“, sagte Bernhard und gähnte herzhaft. „Ich nehme an, du hast dir Gedanken über unser weiteres Vorgehen gemacht.“
„So ist es.“
„Dann lass mal hören.“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Sonntag, 7. Januar, 06:35 Uhr
„Was machen wir jetzt?“
Das letzte halblaute Gespräch zwischen Rüdiger und Martin verstummte. Raphael warf einen entschlossenen Blick in die Runde. Eigentlich reagierte nur Emma. Aber auch in ihren Augen stand wenig Motivation.
„Wir müssen irgendetwas tun“, sagte Raphael bestimmt. „Sonst werden wir hier noch wahnsinnig!“
Raphael hatte genug. Er war es leid, zu warten. Er war es leid, tatenlos herumzusitzen. Vor allem aber war er es leid, zusehen zu müssen, wie es Sonja beständig schlechter ging.
„Klar“, grollte Matteo. „Am besten wir spielen verstecken. Oder fangen.“
Ärger flammte in Raphael empor wie eine meterhohe Lohe, ausgelöst durch Wasser auf brennendes Öl. Doch seine negativen Gefühle verflüchtigten sich sofort. Im Prinzip meinte es Matteo nicht böse. Es war bloß sein Weg, mit Stress und Angst umzugehen.
Emma meldete sich zu Wort. „Raphael hat recht. Wenn wir keine Vorsorge treffen, werden Unsicherheit und Nervosität überhandnehmen. Ich denke, niemand hier will, dass wir uns wieder in eine Spirale aus Bosheit und gegenseitigen Beschuldigungen begeben.“
Raphael warf Emma einen dankbaren Blick zu. Die Krankenschwester nickte verständnisvoll und musterte Sonjas zusammengesunkene Gestalt. Auf die offenkundige Frage in ihrem Gesicht konnte Raphael nur die Schultern zucken. Er wusste nicht, wie es um seine Freundin stand. Seit einer Stunde hatte Sonja kein Wort gesprochen. Raphael fürchtete, dass es ihr sogar noch schlechter ging, als sie nach außen hin erkennen ließ.
„Völlig richtig“, stimmte nun auch Rüdiger zu. „Furcht und Stress können leicht in Panik umschlagen. Wir müssen eine Beschäftigung finden, selbst wenn sie wenig sinnvoll erscheint; einfach aus dem Grund, damit wir nicht durchdrehen.“
„Wie wäre es“, schlug Martin vor, „wenn wir Raphaels Idee in die Tat umsetzen und mit der Taschenlampe Leuchtsignale senden?“
„Genau“, brummte Matteo. „Und danach pinkeln wir aus hundert Meter Höhe einen Limerick in den Schnee.“
Tirol, B161 bei Sankt Johann
Sonntag, 7. Januar, 06:35 Uhr
Auf dem Weg von Kufstein nach Kitzbühel entschloss sich Benjamin zu drei Handlungen, die sein Leben verändern sollten.
Handlung Nummer eins: Er würde wieder anfangen, regelmäßig Sport zu treiben. Vor kaum fünf Jahren war er zwei-, dreimal pro Woche ins Fitnessstudio und Laufen gegangen. Aber mit seiner Anstellung als Sicherheitschef hatte er die sportliche Betätigung immer öfter ausfallen lassen; sein kleiner Waschbärbauch war der lebendige Beweis dafür. Das musste sich ändern. Natürlich war es ein Ansporn, wenn man wusste, dass man von einer attraktiven, jungen Frau begehrt wurde. Aber ebenso wollte er sich selbst im Spiegel betrachten und sagen können:
Du siehst gut aus
. Freilich, ein gewisser Narzissmus ließ sich nicht leugnen. Doch gleichzeitig war es eine nette Triebfeder für das Selbstwertgefühl.
Handlung Nummer zwei: Heute Abend, wenn er ins Krankenhaus nach Kufstein zurückkehrte, würde er Natascha einen Heiratsantrag machen. Selbstredend war das verrückt. Er kannte die junge Blondine seit kaum drei Monaten. Sie hatten erst zwei oder drei tiefschürfende Gespräche geführt. Und sexuell war noch überhaupt nichts zwischen ihnen gelaufen. Dessen ungeachtet, war er überzeugt, das Richtige zu tun. Er fühlte es tief in seinem Herzen gleich der niemals erlöschenden Flamme eines Sturmfeuerzeugs: Sie waren füreinander bestimmt; so sicher, wie der Tag auf die Nacht folgte.
Handlung Nummer drei: Heute Nachmittag, wenn die Bergung der Passagiere abgeschlossen war, würde er vor Franz treten und eine Gehaltserhöhung fordern. Das klang vielleicht wagemutig, trug sein Zuspätkommen gestern früh doch Mitschuld an dem Seilbahnunglück. Doch Benjamin wusste, dass er in einigen Tagen oder Wochen nicht mehr den Mut dazu aufbringen würde. Dazu kam, dass er Natascha mehr bieten wollte als eine sechzig Quadratmeter kleine Wohnung. Er wollte sie zu einem Gala-Dinner einladen können, mit ihr zu einem Strandurlaub auf die Malediven
Weitere Kostenlose Bücher