Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Büßers. „Es war nicht so gemeint.“
„Nein, nein“, erwiderte Matteo. „Ich muss mich entschuldigen. Der Stress und die Anspannung. Ich habe wohl irgendein Ventil gebraucht. Das war weder fair noch ehrlich. Ich halte dich sicher nicht für einen Mörder. Emma hat recht – wahrscheinlich war es eine unglückliche Verkettung an Zufällen.“
„Auch mir tut es leid“, meinte Sebastian, wandte sich Rüdiger zu und senkte betreten den Kopf. „Ich nehme alles zurück, was ich gesagt habe.“
„Passt schon“, entgegnete Rüdiger und seufzte tief. „Ich glaube, wir alle waren mit den Nerven am Ende. Wir müssen Sonja dafür danken, dass sie uns zur Vernunft gebracht hat. Sonst wären wirklich die Fäuste geflogen.“
„Stimmt“, bestätigte Martin und wandte sich Sonja zu. „Ohne deinen engelsgleichen Gesang hätte das böse enden können. Ich möchte mich aus tiefstem Herzen für unser Verhalten entschuldigen. Dein
Ave Maria
war eine Offenbarung.“
„Danke und gern geschehen“, sagte Sonja und lächelte. „Irgendwer musste doch einen klaren Kopf bewahren.“
*
Die Stimmung war ruhig, wenn auch nicht entspannt. Raphael fiel auf, dass niemand mehr an Schlaf dachte und sich sämtliche Gespräche um Belanglosigkeiten drehten. Kein Wort wurde über die dramatischen Ereignisse verloren, kaum ein Blick wanderte in Richtung der beiden Leichen; und wenn doch, flüchtete er sich rasch in ein lebendiges Antlitz oder verlor sich in der Dunkelheit jenseits der Fenster.
Selbstverständlich war es Raphael aufgefallen. Der Gesang hatte Sonja enorme Kraft gekostet. Weiterhin standen Schweißperlen auf ihrer Stirn. Ihre Nasenspitze und die Wangen wirkten etwas zu hell, um als natürliche Gesichtsfarbe durchzugehen. Außerdem war sie unruhig. Ihre Hände suchten sich ständig ein Stück Stoff oder ein Band, mit dem sie herumspielen konnten.
Als Raphael seine Freundin darauf ansprach, winkte diese ab. „Mir geht es gut. Bin nur ein bisschen müde. Aber schlafen möchte ich nicht. Da bleibe ich lieber wach.“
Raphael entging nicht, dass ihre Stimme zitterte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dies allein auf Sonjas Erschöpfung zurückzuführen war. Ihr Zuckerspiegel musste mittlerweile im Keller sein.
Bitte
, flehte Raphael in Gedanken.
Bewegt endlich eure Ärsche und rettet uns!
*
Es war leichtsinnig gewesen. Sehr leichtsinnig.
Selbstverständlich hätte er wissen müssen, dass Doris im Beisein ihrer Tochter keine sexuellen Handlungen setzen würde. Dummerweise war dieses Wissen nicht bis in sein Bewusstsein gedrungen.
Als er ihre Brüste umfasst hatte, wollte sie protestieren. Instinktiv presste er ihr seine Hand auf den Mund. Für einen Moment war sie wie erstarrt, dann versuchte sie seinen Arm wegzuschieben. Unwillkürlich war seine zweite Hand vorgeschnellt. Der Schlag mit der Handkante zerschmetterte ihren Kehlkopf, das Geräusch kaschierte er mit einem verschlafenen Seufzer. Danach waren alle weiteren Bedenken überflüssig. Sie durfte keinen Laut von sich geben. Ein weiterer Hieb an die Schläfe und sie verlor das Bewusstsein. Umsichtig ließ er ihren schlaffen Körper nach hinten gleiten, bis dieser sicher an der Rückenlehne ruhte. So war es nur eine Frage von Sekunden, bis sie ersticken würde. Nun rasch auf den eigenen Platz zurückgehuscht und schlafend gestellt.
Glücklicherweise war die Fügung auf seiner Seite gewesen. Den rothaarigen Trinker als Mörder zu sehen, kam ihm wie gerufen. Bloß unangenehm, dass es mit Henriks Gesundheit nicht zum Besten gestanden hatte. Er tippte auf einen Schlaganfall. Dumme Sache, besonders, da ihm die Situation um ein Haar entglitten wäre. Aber auch in diesem Fall blieb ihm das Glück hold. Eine wahrhaft teuflisch schöne Stimme, die Sonja besaß. Darauf würde er noch zurückkommen.
Blieb die Frage, ob ihn jemand bemerkt hatte. Er hoffte nicht. Jeder zusätzliche Tote erhöhte die Gefahr einer Enttarnung. Was wiederum äußerst unangenehm werden konnte – für die übrigen Fahrgäste, verstand sich.
Krankenhaus Kufstein, Unfallchirurgie
Sonntag, 7. Januar, 05:45 Uhr
„Natascha?“
Sie murmelte Unverständliches im Schlaf, strich mit der Hand über ihre Wange.
„Natascha, mein Engel.“
Sie blinzelte, wirkte für einen Moment zerstreut. Benjamin lächelte.
„Mein Engel“, sagte er. „Ich muss los. Um sieben haben wir in Kitzbühel Lagebesprechung.“
Natascha nickte schwach. „Okay“, flüsterte sie. Der Blick ihrer leuchtend
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