Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
kombinatorische Teil seines Verstandes wusste, was er zu Gesicht bekommen würde. Keine angenehme Vorstellung. Als er das Gefäß öffnete, drehte er sich etwas zur Seite, sodass Anna keinen direkten Blick erhaschen konnte.
Es waren acht Glasphiolen, gerade mal so groß wie ein kleiner Finger. Und nur zwei davon waren leer. Bernhard schluckte.
„Dieser dreckige Hurensohn“, flüsterte Anna. Sie hatte sich zur Seite geneigt und auf die Zehenspitzen gestellt, sodass sie den Inhalt der Röhrchen erkennen konnte. Ihr Gesicht verzerrte sich zur Grimasse. In jeder der sechs Glasphiolen befand sich eine durchsichtige Flüssigkeit – und die abgetrennte Spitze einer weiblichen Klitoris.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Besprechungsraum
Sonntag, 7. Januar, 06:55 Uhr
Trotz des sonntäglichen Ruhetags, der frühen Stunde und der unwirtlichen Wetterbedingungen war der Besprechungsraum nicht weniger überfüllt als gestern. Bis auf den stellvertretenden Landeshauptmann hatten sich dieselben Personen eingefunden. Zudem waren weitere Vertreter von Alpinpolizei und Feuerwehr erschienen.
Franz wirkte übermüdet und angegriffen. Sein unrasiertes Gesicht und die rissigen Lippen verstärkten den kränklichen Eindruck. Benjamin, der unmittelbar links des Betriebsleiters saß, warf einen diskreten Blick auf Franz’ Hände hinab.
Seine Finger zittern
, stellte er fest.
Er kann es nicht mehr verbergen. Phase zwei
…
Vermutlich war Benjamin der Einzige, der von Franz’ Erkrankung wusste. Womöglich hatte außer dem behandelnden Arzt auch niemand Kenntnis davon. Benjamin war durch Zufall darauf gestoßen. Vor einigen Monaten hatte er Franz’ leeres Zimmer betreten, um dem Betriebschef eine Nachricht auf den Tisch zu legen. Dabei stach ihm ein ärztliches Attest ins Auge. Ein ungewohnt neugieriges Begehren bewog ihn, sich herabzubeugen und den Zettel zu überfliegen. Franz hatte Parkinson. Das fortgeschrittene Stadium der Krankheit war evident.
„Ich wünsche einen guten Morgen“, sagte Franz mit leiser und emotionsloser Stimme. Seine Mimik war starr, seine Haltung gebeugt. „Zunächst ersuche ich um eine kurze Zusammenfassung der aktuellen Ereignisse – Wilhelm?“
Der Leiter der Bergrettung ergriff das Wort. „Vor einer halben Stunde haben wir die Posten unterhalb der Gondel ausgetauscht. Bislang keine besonderen Vorkommnisse. Ein Trupp unserer Bergretter steigt derzeit mit drei Alpinpolizisten“, er nickte zu Philipp hinüber, „zur Bergstation auf. Spätestens um halb acht sind sie einsatzbereit.“
Franz nickte kaum merklich. „Maria?“, wandte er sich an die leitende Technikerin.
„Das Notstromaggregat in der Bergstation konnte gestern Abend repariert werden“, verkündete sie. „Auch das restliche System läuft einwandfrei, was uns aber wenig hilft, solang das Zugseil blockiert ist. Das Mobilfunknetz ist nach wie vor ausgefallen. Habe vorhin mit einem Techniker von der Mobilkom gesprochen. Angeblich soll das Netz in zwei Stunden wieder funktionieren.“
„Na hoffentlich“, brummte Franz und warf Benjamin einen Blick zu. „Wie steht es um den Bergewagen?“
„Ist startklar. Die verzogene Achse wurde repariert, das schadhafte Rad ausgetauscht.“
„Wen hast du als Besatzung vorgesehen?“
„Ich würde zusammen mit …“
„Nein“, unterbrach ihn Franz mit erhobener Stimme, was ihm sichtlich Schwierigkeiten bereitete. „Ich brauche dich hier in der Zentrale.“
Benjamin überlegte, ob er es auf eine Konfrontation ankommen lassen sollte. Er wollte die Bergung der Kabine nicht in andere Hände legen. Andererseits wirkte Franz’ Zustand instabil. Überdies sollte er nicht zu aufsässig sein, wenn er in wenigen Stunden um eine Gehaltserhöhung bat.
„Dann würde ich Ibrahim und Moritz schicken.“
„Einverstanden“, entgegnete Franz. „Machen wir das so. Georg, was ist mit der Presse?“
Der stellvertretende Betriebschef erhob sich, was seine Größe noch beeindruckender werden ließ. „Die ersten Journalisten sind schon eingetroffen“, sagte er. „Mit dem Start der Bergeaktion sind Liveübertragungen geplant. Ich habe auch mehrere Anfragen wegen Interviews und Pressekonferenzen erhalten.“
„Die musst du übernehmen“, stellte Franz fest. „Ich fühle mich gesundheitlich nicht dazu in der Lage.“
Benjamin verwunderte die Ehrlichkeit, mit der Franz seine gebrechliche Verfassung eingestand. Das war definitiv nicht seine Art. Kompetenz abzugeben war ihm ein Graus. Es musste ihm in der Tat
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