Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
fliegen, ihr die Sterne vom Himmel holen. Das alles benötigte Geld. Viel Geld. Sorgen, dass ihm Franz die Gehaltserhöhung verweigern könnte, machte er sich nicht. Bislang war er immer zuverlässig und arbeitsam gewesen, hatte Franz mehr als einmal in misslichen Lagen beigestanden. Sollte sich der Betriebschef dennoch stur zeigen, gab es noch eine weitere Möglichkeit: Benjamin wusste etwas, das ihm die Macht gab, alles von Franz verlangen zu können. Er würde dieses Wissen nicht gern in die Waagschale werfen. Aber falls es erforderlich war, konnte ihn auch sein schlechtes Gewissen nicht davon abhalten.
Kitzbühel, Altstadt
Sonntag, 7. Januar, 06:50 Uhr
Anna brachte zwei Vorschläge ein. Der erste war, mithilfe einer Flipchart-Tafel die bisherigen Erkenntnisse zu skizzieren, nach Möglichkeiten zu sortieren und eventuelle Querverknüpfungen zu schaffen. Als zweite Anregung schlug sie vor, das Innere des überwachten Fahrzeugs unter die Lupe zu nehmen. Bernhard war von letzterer Idee nicht besonders angetan. Er argumentierte, dass der Täter Verdacht schöpfen könnte. Anna hielt dagegen, dass es unwahrscheinlich war, dass der Mörder gerade jetzt auftauchte. Auch glaubte sie nicht, dass ihm die Untersuchung des Wagens auffallen würde – sofern sie keine Fensterscheibe einschlugen.
Letztendlich gab Bernhard klein bei. Um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, kontaktierten sie Arthur, der sich prompt bereiterklärte, das Monitoring der Überwachungskamera zu übernehmen. Für den Fall, dass sich eine verdächtige Person näherte, würde er sie informieren.
Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen schwarzen BMW mit getönten Seiten- und Heckfenstern. Fast ein halber Meter Schnee bedeckte Dach und Motorhaube. Das Sicherheitssystem des Wagens war aktiviert. Das bedeutete, dass bei einem widerrechtlichen Eindringversuch nicht nur eine ohrenbetäubende Alarmsirene aufheulte, sondern auch die nächst gelegene Polizeistation über den Einbruch informiert wurde. Zusätzlich blockierten die Haupträder, was ein Weiterfahren unmöglich machte. Eventuell wurde auch eine SMS an den Besitzer des Fahrzeugs verschickt.
Der Vorteil an diesem hochmodernen Sicherheitssystem war, dass vom Hersteller Zentralcodes zur Verfügung gestellt wurden. Anna zog ihren Tablet-PC hervor und aktivierte das Sicherheitsprotokoll, das sie noch im Hotel angefordert hatte. Eine Sekunde später erlosch das rot blinkende Lämpchen im Wagen, und die Türverriegelung öffnete sich.
„Na bitte“, sagte Anna zufrieden. „Legen wir los.“
*
Der Kofferraum war leer, so wie das gesamte Fahrzeug. Nirgends Spuren seines Besitzers. Aber Bernhard ahnte, wonach es zu suchen galt. Er richtete seine Taschenlampe auf die Filzabdeckung am Boden des Kofferraums und begutachtete jeden Quadratzentimeter. Erschwerend kam der nach wie vor kräftige Schneefall hinzu, wodurch immer wieder Schneeflocken durch das Fahrzeuginnere fegten. Dennoch wurde Bernhard fündig. Der winzige weiße Fussel hätte ein Kügelchen Schnee sein können; doch er zerging nicht, als sich Bernhard Untersuchungshandschuhe überzog und die unscheinbare Fluse zwischen den Fingern wand.
„Styropor“, stellte Bernhard fest. Er hob den Filzboden des Kofferraums an und lugte darunter. Der Reservereifen lag unter der Abdeckung, genauso, wie es sein sollte.
„Da ist nichts“, kommentierte Anna, als sie mit den Fingern unter den Reifen langte.
Bernhard legte den Kopf schräg. Etwas irritierte ihn. Er unterzog den Reifen einer gründlichen Musterung, fuhr mit der Hand die Oberfläche entlang. Da, an der Breitseite – eine quadratische Erhebung, die nicht zum Profil des Rades passen wollte. Bernhard verrenkte sich den Kopf, klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne und kroch halb ins Fahrzeuginnere. Ein rechteckiger Spalt war zu erkennen, gut zehn Zentimeter im Durchmesser. Jemand hatte den Reifen aufgeschnitten, ein Stück von ihm entfernt und wieder eingesetzt. Bernhard bemühte sich, das eingeklemmte Gummistück mit der Kante der Taschenlampe zu entfernen. Vergeblich.
„Reichst du mir das Messer?“
Unter Zuhilfenahme der Klinge war es ein Leichtes, das eingefügte Reifenstück herauszulösen. Im Inneren lag ein etwa faustgroßes Objekt, das von einer schwarzen Tüte umwickelt war. Bei dem Gegenstand handelte sich um einen schmucklosen Behälter aus Styropor, vielleicht einen halben Kubikdezimeter groß. Bernhard zögerte. Eine dunkle Ahnung stieg in ihm auf. Der
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