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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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trinken. Ich weiß nicht, was Eva und Sindri dir erzählt haben. Ich weiß nicht, was du über mein und unser Leben weißt, aber es war wahrhaftig kein Zuckerschlecken. Ich hatte immer Pech mit den Männern. Einige waren regelrechte Ekelpakete. Ich habe von früh bis spät geschuftet und in mehr oder weniger miesen Mietwohnungen gelebt. Manchmal wurde ich mit den Kindern vor die Tür gesetzt. Manchmal hat es längere Sauftouren bei mir gegeben. Wahrscheinlich habe ich mich nicht so um die beiden gekümmert, wie ich es hätte tun sollen. Wahrscheinlich haben die beiden ein viel schrecklicheres Leben gehabt als ich, vor allem Eva. Sie war immer viel sensibler als Sindri, was Fremde und miese Umstände angeht.«
    Halldóra inhalierte tief.
    »So ist es gelaufen. Ich habe versucht, mich nicht selbst zu bemitleiden. Ich … Ich kann nichts dazu, dass ich dazu tendiere, dir an einigen von diesen Dingen die Schuld zu geben.«
    »Darf ich?«, fragte er und streckte die Hand nach ihren Zigaretten aus.
    Sie schob die Schachtel mitsamt dem Mallorca-Feuerzeug zu ihm hinüber. Sie rauchten eine Weile schweigend und nachdenklich.
    »Sie hat mich oft über dich ausgefragt«, ergriff Halldóra wieder das Wort. »Meist habe ich ihr geantwortet, dass du genauso ein Ekelpaket wärst wie die anderen, mit denen ich zusammen war. Ich weiß, dass das schlecht von mir war, aber was sollte ich denn sagen? Was hätte ich ihr deiner Meinung nach sagen sollen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Erlendur. »Das ist kein einfaches Leben gewesen.«
    »Das hatten wir dir zu verdanken.«
    Erlendur schwieg. Draußen prasselte der Regen nieder, ohne dass man drinnen etwas hörte. Drei Männer in karierten Hemden standen auf und gingen nach draußen, nicht ohne dem Koch in der Küche ein Dankeschön zuzurufen.
    »Es war ein ungleiches Spiel von Anfang an«, sagte Halldóra.
    »Ja, vielleicht«, sagte Erlendur.
    »Da gibt es kein Vielleicht.«
    »Nein.«
    »Weißt du, weshalb?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Es war ein ungleiches Spiel, weil ich in unserer Beziehung aufrichtig war«, erklärte Halldóra.
    »Ja.«
    »Aber das beruhte nie auf Gegenseitigkeit.«
    Erlendur schwieg.
    »Nie«, sagte Halldóra noch einmal und blies den Rauch von sich.
    »Ich denke, da hast du recht«, erwiderte Erlendur.
    Halldóra gab ein schnaubendes Geräusch von sich. Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen. Sie saßen eine ganze Weile schweigend da, bis Halldóra sich räusperte. Sie streckte ihre Hand nach dem Aschenbecher aus und drückte die Zigarette darin aus.
    »Findest du das fair?«, fragte sie.
    »Es tut mir leid, dass es nicht auf Gegenseitigkeit beruht hat«, sagte Erlendur.
    »Es tut dir leid!«, äffte Halldóra ihn nach. »Was hilft das? Was hast du damals überhaupt gedacht?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich habe nicht lange gebraucht, um das zu spüren«, sagte Halldóra. »Um zu spüren, dass ich überhaupt keine Rolle für dich spielte. Ich habe es trotzdem weiter versucht. Wie ein Idiot. Und je besser ich dich kennenlernte, desto mehr. Ich hätte alles für dich getan. Wenn du uns Zeit gegeben hättest und … Weshalb hast du zugelassen, dass es so weit gekommen ist? Ich war dir doch von Anfang an vollkommen gleichgültig.«
    Halldóra starrte wieder in ihre Kaffeetasse und kämpfte mit den Tränen. Sie saß vornübergebeugt, und ihre Unterlippe zitterte ein wenig.
    »Es war mein Fehler«, sagte Erlendur. »Ich … Ich konnte das nicht. Ich wusste nicht, was ich tat. Ich weiß nicht, was da passiert ist. Ich habe versucht, so wenig wie möglich darüber nachzudenken. Ich habe versucht, diesen Abschnitt meines Lebens zu verdrängen. Das nennt man wohl Charakterschwäche.«
    »Ich habe dich nie verstanden.«
    »Ich glaube, wie sind sehr verschieden, Halldóra.«
    »Vielleicht.«
    »Nachdem meine Mutter gestorben war, fühlte ich mich etwas einsam«, sagte Erlendur. »Ich glaubte, dass …«
    »… du eine neue Mutter finden würdest?«
    »Ich versuche, dir zu sagen, in welcher Situation ich mich befand.«
    »Hör auf damit«, sagte Halldóra. »Es spielt keine Rolle mehr.«
    »Meines Erachtens sollten wir lieber an die Zukunft denken«, sagte Erlendur.
    »Ja, ganz bestimmt!«
    »Ich hatte mir vorgestellt, dass wir uns um Eva kümmern könnten«, erklärte er. »Es geht nicht um uns beide, nicht mehr. Das tut es bereits seit Langem nicht mehr, Halldóra. Das musst du doch begreifen.«
    Sie schwiegen. Aus der Küche hörte man Tellerklappern. Zwei Männer in

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