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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Mann.
    »Heißt du Tryggvi?«, gab Erlendur zurück.
    »Ja, ich heiße Tryggvi. Und du? Wer bist du?«
    »Ich heiße Erlendur«, wiederholte er. »Ich bin bei der Polizei.«
    Tryggvi versuchte, die Plastiktüte langsam vom Tisch zu ziehen.
    »Was willst du von mir? Ich habe nichts getan.«
    »Ich will gar nichts von dir«, sagte Erlendur. »Mir ist es auch völlig egal, was du da in der Tüte hast. Es geht mir offen gesagt darum, dass ich eine ganz sonderbare Geschichte aus der Zeit gehört habe, als du an der Universität warst. Ich hätte gern gewusst, ob sie stimmt.«
    »Was für eine Geschichte?«
    »Über … wie soll ich es ausdrücken … über deinen Tod.«
    Tryggvi starrte Erlendur lange an, ohne etwas zu sagen. Er hatte den Schnaps hinuntergekippt und das Glas wieder zu Erlendur hingeschoben. Seine farblosen Augen unter den buschigen Brauen waren tief eingesunken, und das fleischige Gesicht mit den wulstigen Lippen und der großen, gebrochenen Nase stand in seltsamem Kontrast zu dem hageren Körper. Das Gesicht schien der Schwerkraft nachgegeben zu haben und nach unten gezogen worden zu sein. »Wie hast du mich hier gefunden?«
    »Ich habe herumgefragt«, sagte Erlendur. »Ich habe mich unter anderem im Napóleon nach dir erkundigt.«
    »Was meinst du damit, eine Geschichte über meinen Tod?«
    »Ich habe keine Ahnung, ob daran etwas stimmt, aber ich habe von einem Experiment gehört, das ein paar Medizinstudenten an der Universität gemacht haben. Du warst damals auch an der Universität und hast Theologie beziehungsweise Medizin studiert, ich weiß nicht genau, was. Du hast dich für dieses Experiment zur Verfügung gestellt. Es bestand darin, dich für eine kurze Zeit vom Leben zum Tode zu befördern und dich dann wieder zurückzuholen. Stimmt das?«
    »Weshalb willst du das wissen?«, fragte der Mann mit der rauen und heiseren Stimme eines Trinkers. Er fischte in seiner Brusttasche nach Zigaretten und zog eine halb leere Schachtel hervor.
    »Ich bin neugierig.«
    Tryggvi blickte auf das Schnapsglas und dann auf Erlendur. Erlendur stand auf, ging wieder zum Tresen und kaufte eine Flasche isländischen Brennivín. Er schenkte das Glas voll, behielt die Flasche aber in seiner Nähe.
    »Wo hast du diese Geschichte gehört?«, fragte Tryggvi. Er leerte das Glas in einem Zug und schob es wieder über den Tisch.
    Erlendur füllte nach.
    »Ist sie wahr?«
    »Und was, wenn ja? Was hast du damit vor?«
    »Nichts«, sagte Erlendur.
    »Du bist Bulle?«, fragte Tryggvi und leerte das nächste Glas.
    »Ja. Und du bist dieser Tryggvi?«
    »Ich heiße Tryggvi«, erklärte der Mann und blickte sich um. »Ich weiß nicht, was du von mir willst.«
    »Kannst du mir erzählen, was damals passiert ist?«
    »Nichts ist passiert. Gar nichts. Nicht das Geringste. Weswegen fragst du mich jetzt danach? Geht das irgendjemanden etwas an?«
    Erlendur wollte Tryggvi nicht verschrecken. Er hätte diesem schmutzigen und versoffenen Mann, der wie ein Penner roch, sagen können, dass ihn das gar nichts anginge, aber dann hätte er nicht das zu hören bekommen, was er hören wollte. Stattdessen versuchte er, Tryggvi zu beschwichtigen; er sprach mit ihm wie mit einem Gleichgestellten, füllte das Schnapsglas ein weiteres Mal und gab ihm Feuer für seine Zigarette. Er brachte das Thema auf ganz alltägliche Dinge, sprach über das Lokal, in dem sie saßen, wo man immer noch gesengte Schafsköpfe mit pürierten Rüben kaufen konnte, genau wie früher, als die Jungs mit ihren Mädchen eine Runde im Auto gedreht hatten und zum Busbahnhof gefahren waren, um sich diese nationale Spezialität zu holen. Der Schnaps zeigte Wirkung. Tryggvi kippte einen nach dem anderen hinunter und wurde immer redseliger. Nach und nach gelang es Erlendur, das Gespräch wieder auf das zu bringen, was zu Tryggvis Universitätszeiten passiert war, als einige seiner Kommilitonen ein sehr spezielles Experiment gemacht hatten.
    »Möchtest du etwas zu essen?«, fragte Erlendur, als das Gespräch in Gang gekommen war.
    »Irgendwie hatte ich gedacht, dass ich Pastor werden könnte«, erklärte Tryggvi, das Essensangebot mit beiden Händen abwehrend. Stattdessen schnappte er sich die Flasche, setzte sie zu einem kräftigen Schluck an die Lippen und wischte sich anschließend mit dem Ärmel den Mund ab. »Theologie war aber langweilig«, fuhr er fort. »Deswegen habe ich es mit Medizin probiert. Fast alle meine Freunde studierten Medizin. Ich …«
    »Was?«
    »Ich habe

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