Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
abgespielt haben könnte, offen auf den Tisch zu legen, und überlegte, ob es besser war, sich Baldvin und Karólína zusammen vorzuknöpfen oder einzeln mit ihnen zu sprechen. Er hatte niemanden in seine privaten Nachforschungen eingeweiht. Sigurður Óli und Elínborg wussten nur, dass er außerordentlich beschäftigt war, aber sie hatten keine Ahnung, womit, und Valgerður hörte seltener von ihm als gewöhnlich. Dieser Fall nahm ihn ganz und gar in Anspruch. Er wartete auch auf einen Anruf des Tauchers, aber der ließ auf sich warten.
In den letzten Tagen hatte er zudem den immer stärker werdenden Wunsch verspürt, wieder in die Ostfjorde zu dem verödeten Hof zu fahren und in die Berge zu gehen.
Er war in seiner Wohnung und saß gerade vor einer Schale Haferbrei mit gesäuerter Schlachtwurst, als es an seiner Tür klopfte. Er ging in die Diele und öffnete. Es war Valgerður, die ihm einen Kuss auf die Wange gab und an ihm vorbei in die Wohnung schlüpfte. Sie zog sich den Mantel aus, legte ihn auf einen Stuhl und setzte sich zu ihm in die Küche.
»Man hört ja überhaupt nichts mehr von dir«, sagte sie, während sie sich eine Portion Haferbrei nahm. Erlendur schnitt ein Stück Schlachtwurst für sie ab. Er fand sie nicht genug gesäuert, obwohl er an der Fleischtheke im Laden verlangt hatte, dass sie direkt aus dem Molkefass geholt würde. Der junge Mann, der ihn bedient hatte, tat das mit angeekelter Miene, es war ihm ganz offensichtlich gegen den Strich gegangen, in der Molke herumfischen zu müssen. Erlendur hatte bei der Gelegenheit auch gesäuerte Bruststückchen und etwas Schafskopfsülze verlangt, die er auf seinem Balkon in einem Eimer mit Molke aufbewahrte.
»Auf der Arbeit war so viel los«, sagte Erlendur.
»Womit befasst du dich momentan?«, fragte Valgerður.
»Immer noch mit demselben Fall.«
»Mit Gespenstern und Wiedergängern?«
»Ja. Etwas in der Art. Möchtest du Kaffee?«
Valgerður nickte, und er stand auf, um die Kaffeemaschine anzumachen. Sie fand, dass er müde aussah, und fragte, ob er nicht noch Resturlaub habe. Er sagte ihr, dass er zwar noch jede Menge Urlaub hätte, aber nicht wüsste, was er damit anfangen sollte.
»Wie war das Zusammentreffen mit Halldóra neulich?«
»Ziemlich unangenehm«, antwortete Erlendur. »Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee war, sie zu treffen. Da ist so vieles, über das wir uns nie einigen werden können.«
»Beispielsweise was?«, fragte Valgerður vorsichtig.
»Ach, ich weiß nicht. Dies und jenes.«
»Nichts, worüber du sprechen möchtest?«
»Meiner Meinung nach bringt das nichts. Sie findet, dass ich ihr gegenüber nicht aufrichtig gewesen bin.«
»Warst du das nicht?«
Erlendur zog eine Grimasse. Er stand bei der Kaffeemaschine, und Valgerður drehte sich zu ihm um.
»Das hängt vielleicht davon ab, wie man die Sache betrachtet«, sagte er.
»Ach?«
Erlendur seufzte tief. »Sie war aufrichtig und ehrlich in dieser Beziehung. Das war ich nicht. Das war der große Betrug, meine Unaufrichtigkeit in unserer Beziehung.«
»Ich glaube, ich will nichts darüber hören, Erlendur«, sagte Valgerður. »Das geht mich nichts an. Das ist lange her und hat nichts mit uns beiden zu tun, mit unserer Beziehung.«
»Ja, das ist mir klar. Aber … Ich verstehe sie jetzt vielleicht besser. Das hat sie die ganze Zeit beschäftigt, all diese Jahre. Deswegen auch ihre Wut, glaube ich.«
»Wegen nicht erwiderter Liebe?«
»Es stimmt, was sie sagt. Halldóra hat immer aufrichtig gehandelt. Ich nicht.«
Erlendur goss Kaffee in zwei Tassen und setzte sich an den Küchentisch.
»Es ist schlimm, einen Mann zu lieben, der diese Liebe nicht erwidern kann«, sagte Valgerður.
Erlendur sah sie an. »Ja, das stimmt wohl«, sagte er und wechselte das Thema. »Ich beschäftige mich da übrigens auch mit einer Beziehung und weiß eigentlich nicht, was ich davon halten soll. Es geht um etwas, was vor vielen Jahren passiert ist. Eine Frau namens Sólveig ist mit dem Mann ihrer besten Freundin fremdgegangen. Diese Beziehung endete auf schreckliche Weise.«
»Darf man wagen zu fragen, was da passiert ist?«
»Ich weiß nicht, ob sich das jemals richtig herausfinden lässt.«
»Entschuldige, du darfst natürlich nicht mit jedem darüber reden.«
»Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Ein Mann starb, er ertrank im See von Þingvellir. Die Frage ist, welchen Anteil die Ehefrau daran gehabt hat. Und wie viel Schuld ihre Tochter auf sich genommen
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