Kaeltezone
»Schneid dir bloß nicht in die Finger«, sagte er und machte die Tür hinter sich zu.
Erlendur hatte wegen des Kleifarvatn-Falls eine kurze Besprechung mit Elínborg und Sigurður Óli. Die Suche nach weiteren Informationen, die in irgendeiner Form über Lothar Auskunft gaben, war zeitraubend und mühselig. Alle Anfragen liefen über die deutsche Botschaft, wo es Erlendur immerhin gelungen war, sich unbeliebt zu machen. Sie hatten nur wenige Anhaltspunkte. Sie hatten sich an Interpol gewandt, aber die Antwort besagte nur, dass man dort nie etwas mit einem Lothar Weiser zu tun gehabt hätte. Patrick Quinn von der amerikanischen Botschaft arbeitete daran, den damaligen Mitarbeiter der tschechischen Botschaft dazu zu bringen, sich mit der isländischen Kriminalpolizei zu unterhalten. Er wusste nicht, ob ihm das gelingen würde. Dieser Lothar Weiser schien nicht viel Umgang mit Isländern gehabt zu haben. Nachforschungen bei ehemaligen Mitarbeitern des Regierungsapparats führten zu nichts. Die Gästelisten der ehemaligen DDR-Vertretung waren nicht mehr aufzutreiben. Die Gästelisten offizieller isländischer Behörden aus dieser Zeit existierten nicht mehr. Sie tappten völlig im Dunkeln im Hinblick darauf, welche Kontakte Lothar Weiser zu Isländern gehabt hatte. Niemand schien sich an diesen Mann erinnern zu können.
Sigurður Óli hatte sich an das isländische Kultusministerium und die deutsche Botschaft gewandt und sie gebeten, darüber Auskunft zu geben, welche Isländer in der DDR studiert hatten. Er wusste nicht genau, welchen Zeitraum er dafür ansetzen sollte, deswegen bat er um eine Liste aller Personen, die von Kriegsende bis 1970 zum Studium in die Deutsche Demokratische Republik gegangen waren.
Unterdessen hatte Erlendur Zeit, sich in den Fall des Falcon-Manns zu vertiefen, der ihn so beschäftigte. Niemand wusste besser als er, dass er bitterwenig in der Hand hatte, um die Genehmigung zu einer groß angelegten Durchsuchungsaktion auf dem früheren Besitz der beiden Brüder in Mosfellssveit zu erwirken.
Er beschloss, bei Marian Briem vorbeizuschauen. Marian schien es wieder etwas besser zu gehen. Die Sauerstoffflasche stand zwar immer noch bereit, aber Marian sah jetzt frischer aus, sprach von Medikamenten, die besser wirkten als die alten, und fluchte über Ärzte, die keine Ahnung hätten. Erlendur hatte fast den Eindruck, dass Briem wieder zu alter Form auflief.
»Wieso scharwenzelst du eigentlich dauernd hier herum?«, fragte Marian und nahm auf dem Sessel Platz. »Hast du nichts Besseres mit deiner Zeit anzufangen?«
»Weiß Gott, das habe ich«, sagte Erlendur. »Wie geht es dir?«
»Es klappt einfach nicht mit dem Abkratzen. Heute Nacht dachte ich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Komisch. Wahrscheinlich ist so etwas ganz normal bei Leuten, die nur daliegen und auf den Tod warten. Ich war ganz sicher, dass es zu Ende geht.«
Marian befeuchtete die trockenen Lippen mit einem Schluck Wasser.
»Was ist denn passiert?«, fragte Erlendur.
»Wahrscheinlich läuft es bei gewissen Leuten unter der Rubrik, dass man seinen Körper verlässt«, sagte Marian Briem. »Du weißt, dass ich nicht an solchen Quatsch glaube. Das sind Trugbilder oder irgendwelche Fantasien im Halbschlaf. Wahrscheinlich hängt das mit diesem neuen Medikament zusammen. Also, ich bin da herumgeschwebt«, sagte Marian und blickte zur Decke, »und schaute auf dieses Wrack, das ich bin, herunter. Ich habe wirklich geglaubt, es wäre das Ende, und hatte es völlig akzeptiert. Aber dann bin ich natürlich doch nicht gestorben. Das war wohl bloß so ein komischer Traum. Heute Morgen war ich zur Untersuchung, und der Arzt sagt, es ginge mir besser. Die Blutsenkung ist seit Wochen nicht so gut gewesen. Allerdings hat er mir keine Hoffnung hinsichtlich einer weiteren Besserung gemacht.«
»Was weiß dieser Arzt schon«, sagte Erlendur.
»Was willst du eigentlich von mir? Geht es wieder um den Falcon-Mann? Warum bist du hinter dieser alten Sache her?«
»Kannst du dich an den Bruder dieses Bauern in Mosfellssveit erinnern?«, fragte Erlendur ins Blaue hinein. Er wusste, dass Marian Spaß an allem hatte, was mysteriös und merkwürdig war, die unglaublichsten und winzigsten Details im Kopf behielt und sie trotz hohen Alters und Krankheit mühelos hervorkramen konnte.
Marian schloss die Augen und überlegte.
»Níels, dieser faule Sack, sprach darüber, dass er komisch war.«
»Ja, er sagt, er hätte sie nicht alle
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