Kaeltezone
Tschechoslowakei. Am besten sollte man sie sich alle, wie sie da waren, einfach schnappen und in den Gulag befördern. Er war angetrunken, als er das sagte, und worüber er genau gesprochen hat, weiß ich nicht, aber so hat er sich ausgedrückt.«
»Und kurz darauf haben Sie gehört, dass er verschwunden war?«
»Er hat sich bestimmt was zuschulden kommen lassen«, sagte Miroslav. »Davon gingen die Leute aus. Es ging das Gerücht, dass sie ihn selber liquidiert hätten, die Ostdeutschen, um ihn anschließend per Kurier in die DDR zu schicken. Das hätte durchaus der Fall sein können. Diplomatenpost unterlag keinerlei Kontrollen. Wir konnten damals auf diese Weise alles einführen oder ausführen, was wir wollten, es waren unglaubliche Dinge darunter.«
»Oder sie haben ihn im Wasser versenkt«, sagte Sigurður Óli.
»Ich weiß nur das eine, nämlich dass er komplett von der Bildfläche verschwand und man nie wieder etwas von ihm gehört hat.«
»Wissen Sie, was er sich möglicherweise hat zuschulden kommen lassen?«
»Wir glaubten damals, dass er eine Kehrtwendung gemacht hätte.«
»Eine Kehrtwendung?«
»Sich von den anderen hat kaufen lassen. Das passierte nicht selten. Schauen Sie mich an. Aber in der DDR verfuhr man nicht so gnädig mit solchen Überläufern wie bei uns in der Tschechoslowakei.«
»Sie meinen, dass er Informationen an …«
»Ist ganz bestimmt kein Geld für mich drin?«, unterbrach Miroslav Sigurður Óli. Die Frauenstimme im Hintergrund war wieder da, und zwar durchdringender als zuvor.
»Tut mir Leid«, sagte Sigurður Óli.
Sie hörten, wie Miroslav etwas in seiner Muttersprache sagte, um dann auf Englisch fortzufahren: »Ich habe genug gesagt. Versuchen Sie nicht noch einmal, hier anzurufen.«
Dann knallte er den Hörer auf. Sie schauten sich an. Erlendur streckte die Hand nach dem Aufnahmegerät aus und schaltete es ab.
»Wie konntest du dich nur so blöde anstellen«, sagte er zu Sigurður Óli. »Konntest du ihm nicht etwas vorlügen? Ihm sagen, dass er zehntausend Kronen kriegen würde, oder so was. Warum hast du nicht versucht, ihn noch etwas länger in der Leitung zu behalten?«
»Reg dich ab«, sagte Sigurður Óli. »Er wollte nichts mehr sagen. Er wollte nicht mehr mit uns reden. Das habt ihr doch gehört.«
»Bringt uns das hier weiter in der Frage, wer da im See gelegen hat?«, fragte Elínborg.
»Ich weiß es nicht«, sagte Erlendur. »Ein so genannter Wirtschaftsreferent aus der DDR und ein russisches Spionagegerät. Es könnte passen.«
»Meiner Meinung nach liegt es klar auf der Hand«, sagt Elínborg. »Lothar und Leopold sind ein und derselbe Mann, und seine Leiche wurde im Kleifarvatn versenkt. Er hat sich was zuschulden kommen lassen, und sie mussten ihn loswerden.«
»Und die Frau im Milchgeschäft?«, fragte Sigurður Óli.
»Sie hat keine Ahnung gehabt, was los war«, sagte Elínborg. »Sie weiß nichts über diesen Mann, außer dass er nett zu ihr gewesen ist.«
»Vielleicht war sie ein Teil seiner Camouflage hier«, sagte Erlendur.
»Vielleicht«, sagte Elínborg.
»Also, ich finde, dass die Tatsache, dass das Gerät kaputt war, als die Leiche damit versenkt wurde, etwas zu bedeuten hat«, gab Sigurður Óli zu bedenken. »Als hätte es nicht mehr verwendet werden sollen und wäre mutwillig zerstört worden.«
»Die Frage ist, ob das Gerät tatsächlich aus einer dieser Botschaften stammt. Oder ob es nicht irgendwie auf anderen Wegen ins Land gekommen sein kann«, sagte Elínborg.
»Wer in aller Welt würde denn ein russisches Abhörgerät einschmuggeln wollen?«, fragte Sigurður Óli.
Sie schwiegen, und alle drei dachten so ungefähr das Gleiche. Dieser Fall war so verzwickt, dass sie sich absolut keinen Reim darauf machen konnten. Sie hatten es gewöhnlich mit simplen, isländischen Verbrechen zu tun, bei denen keine rätselhaften Apparate auftauchten oder Wirtschaftsreferenten, die noch nicht einmal welche waren, wo weder ausländische Botschaften eine Rolle spielten, noch der Kalte Krieg, sondern nur die isländische Realität, unbedeutend, ereignislos, alltäglich und so unendlich weit entfernt von den Konfliktschauplätzen dieser Welt.
»Gibt es denn wirklich gar keinen isländischen Aspekt bei dieser Sache?«, fragte Erlendur schließlich, um irgendetwas zu sagen.
»Genau«, sagte Elínborg. »Was ist mit diesen Studenten? Sollten wir nicht versuchen, sie ausfindig zu machen und herauszufinden, ob einer von denen sich an diesen
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