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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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gleiche ausgesuchte Höflichkeit an den Tag legte. Er war immer sehr ruhig und wechselte nie die Tonlage, was Sigurður Óli auf Psychopharmaka zurückführte.
    »Nein«, sagte Sigurður Óli, »nicht schon wieder.«
    »Ich wollte mich nur noch einmal bei dir bedanken«, sagte der Mann.
    »Keine Ursache, ich habe gar nichts gemacht«, erwiderte Sigurður Óli. »Du bist mir keinen Dank schuldig.«
    »Ich glaube, ich sehe jetzt langsam klarer«, sagte der Mann. »Das ist gut«, sagte Sigurður Óli.
    »Ich vermisse sie so entsetzlich«, sagte der Mann.
    »Natürlich tust du das«, sagte Sigurður Óli und sah zu Bergþóra hinüber.
    »Ich will nicht aufgeben. Ihretwegen. Ich will versuchen, meinen Mann zu stehen.«
    »Das ist gut.«
    »Entschuldige die Störung. Ich weiß nicht, warum ich dich immer wieder anrufe. Das ist jetzt das letzte Mal.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Ich muss durchhalten.«
    Sigurður Óli wollte sich gerade verabschieden, als der Mann am anderen Ende plötzlich auflegte.
    »Ist alles in Ordnung mit ihm?«, fragte Bergþóra.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Sigurður Óli. »Ich hoffe es.«

    Elínborg und Sigurður Óli hörten, wie Rut in der Küche Tee kochte, kurz darauf erschien sie wieder im Wohnzimmer mit Tassen und Zuckerdose und fragte, ob sie Milch nähmen. Elínborg wiederholte das, was sie an der Tür über ihre Suche nach isländischen Studenten in Leipzig gesagt hatte, und fügte hinzu, dass diese Suche möglicherweise, und sie wiederholte: möglicherweise, mit dem Verschwinden einer Person kurz vor 1970 zu tun hatte.
    Rut hörte ihr zu, ohne etwas zu sagen, bis der Kessel in der Küche zu pfeifen begann. Sie ging in die Küche und kam dann mit dem Tee und ein paar Keksen zurück. Elínborg wusste, dass sie über siebzig war, und fand, dass sie sich gut gehalten hatte. Sie war schlank, ungefähr so groß wie Elínborg und färbte sich die Haare braun. Sie hatte ein ovales Gesicht mit ernstem Ausdruck, der durch die Falten unterstrichen wurde, und ein schönes Lächeln, das sie aber sparsam dosierte.
    »Ihr meint also, dass dieser Mann in Leipzig studiert hat?«, fragte sie.
    »Das wissen wir nicht«, sagte Sigurður Óli.
    »Von was für einem Vermisstenfall redet ihr?«, fragte Rut. »Ich kann mich an nichts in den Nachrichten erinnern, was …« Auf einmal wurde sie nachdenklich. »Nur an das Skelett aus dem Kleifarvatn im Frühjahr«, sagte sie. »Sprecht ihr vielleicht über das Skelett im Kleifarvatn?«
    »Genau«, sagte Elínborg lächelnd.
    »Und das soll etwas mit Leipzig zu tun haben?«
    »Wir wissen es nicht«, sagte Sigurður Óli.
    »Aber irgendetwas müsst ihr doch wohl wissen«, sagte Rut unbeirrt, »wenn ihr euch schon die Mühe macht, zu mir zu kommen, um mit einer ehemaligen Studentin aus Leipzig zu reden.«
    »Wir haben ganz bestimmte Anhaltspunkte«, entgegnete Elínborg. »Sie sind aber nicht so stichhaltig, dass man viel darüber reden sollte. Wir hoffen aber, dass du uns vielleicht behilflich sein kannst.«
    »Was hat das mit Leipzig zu tun?«
    »Es muss nicht sein, dass dieser Mann in irgendeiner Form eine Verbindung mit Leipzig hatte«, mischte sich Sigur- ður Óli jetzt in etwas schärferem Ton ein. »Du hast das Studium in Leipzig nach anderthalb Jahren abgebrochen«, wechselte er das Thema. »Du warst zu diesem Zeitpunkt doch wohl kaum mit dem Studium fertig, oder?«
    Sie antwortete ihm nicht, sondern goss den Tee ein und gab Milch und Zucker in ihre Tasse. Während sie mit einem kleinen Löffel in der Tasse rührte, schien sie mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein.
    »Es war also ein Mann da in dem See? Du hast Mann gesagt?«
    »Ja«, sagte Sigurður Óli.
    »Du bist Lehrerin, nicht wahr?«, fragte Elínborg.
    »Ich bin auf die Pädagogische Hochschule gegangen, nachdem ich zurückgekehrt war«, sagte Rut. »Mein Mann war auch Lehrer, wir waren beide Grundschullehrer. Wir haben uns vor nicht allzu langer Zeit scheiden lassen. Ich bin jetzt pensioniert. Ich werde nicht mehr gebraucht. Es kommt einem so vor, als ob man aufhört zu leben, wenn man aufhört zu arbeiten.«
    Sie trank einen Schluck Tee, und Elínborg und Sigurður Óli taten es ihr nach.
    »Ich konnte aber die Wohnung halten«, sagte sie.
    »Es ist immer schlimm, wenn …«, begann Elínborg, aber Rut unterbrach sie, als sei sie nicht auf die Anteilnahme einer unbekannten Frau angewiesen, die sich ihr aufgedrängt hatte.
    »Wir waren alle Sozialisten«, sagte sie und schaute Sigur-

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