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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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anderes?«, fragte Sigurður Óli.
    »Lothar Weiser arbeitete nicht für die Handelsvertretung, sondern für den Staatssicherheitsdienst der DDR«, erklärte Miroslav. »Seine Aufgabe war es, die Leute auf seine Seite zu ziehen, und darauf verstand er sich ausgezeichnet. Er wandte alle möglichen Tricks an, damit sie für ihn arbeiteten, und hatte ein besonderes Geschick dafür, sich die Schwächen der Leute zunutze zu machen. Er setzte sie so lange unter Druck, bis sie mit ihm zusammenarbeiteten. Er stellte ihnen regelrechte Fallen, unter anderem mit Hilfe von Nutten. Das haben sie alle getan. Er machte Aufnahmen, die die Leute in Schwierigkeiten bringen konnten. Begreifen Sie, worauf ich hinauswill? Er war ziemlich ideenreich.«
    »Hat er, wie sollen wir das nennen, Komplizen hier in Island gehabt?«
    »Meines Wissens nicht, aber das bedeutet nicht, dass er sie nicht trotzdem gehabt haben könnte.«
    Erlendur griff nach einem Stift auf dem Schreibtisch und begann, einen Gedanken, der ihm durch den Kopf geschossen war, auf ein Blatt zu kritzeln.
    »Hatte er isländische Freunde, an die Sie sich erinnern können?«
    »Über seine Verbindungen zu Isländern weiß ich nichts. Ich habe ihn nicht näher kennen gelernt.«
    »Könnten Sie uns Lothar Weiser etwas genauer beschreiben?«
    »Das Einzige, was für Lothar Weiser eine Rolle spielte, war er selber. Ihm war es völlig egal, wen er hinterging und betrog, solange er nur selber Nutzen daraus ziehen konnte. Er hatte viele Feinde, und es gab zweifellos nicht wenige, die ihn am liebsten aus dem Weg geräumt hätten. Das habe ich zumindest gehört.«
    »Kannten Sie jemanden, der ihn gerne aus dem Weg geräumt hätte?«
    »Nein.«
    »Was ist mit diesem russischen Apparat, woher könnte der stammen?«
    »Aus jeder x-beliebigen kommunistischen Botschaft in Reykjavík. Wir haben alle russische Geräte verwendet. Dort wurden die meisten davon hergestellt, und alle Botschaften hatten solche Geräte aus der Sowjetunion. Sendegeräte, Aufnahmegeräte, Abhörgeräte. Sogar Radios und diese hoffnungslosen russischen Fernsehapparate. Die haben uns mit diesem ganzen Mist bombardiert, und wir waren gezwungen, die Sachen zu kaufen.«
    »Soweit wir sehen können, haben wir ein Abhörgerät gefunden, das dazu verwendet worden ist, die amerikanischen Streitkräfte in Keflavík zu überwachen.«
    »Das war im Grunde genommen das Einzige, was gemacht wurde«, sagte Miroslav. »Und dann haben wir noch andere Botschaften abgehört. Außerdem hatten die Amerikaner natürlich im ganzen Land Radarstationen. Aber darüber will ich nicht sprechen. Quinn hat mir gesagt, dass Sie etwas über das Verschwinden von Lothar Weiser wissen wollen.«
    Erlendur reichte Sigurður Óli das Blatt, und er las die Frage vor, die Erlendur eingefallen war.
    »Wissen Sie, weshalb Weiser nach Island geschickt worden war?«
    »Weshalb?«, sagte Miroslav.
    »Uns wurde gesagt, dass Island für diplomatische Kreise am Ende der Welt liegt und beim diplomatischen Korps nicht sonderlich beliebt ist«, sagte Sigurður Óli.
    »Für uns, die wir aus der Tschechoslowakei kamen, war es ganz okay«, sagte Miroslav. »Mir ist nicht bekannt, dass Lothar Weiser sich etwas hat zuschulden kommen lassen und womöglich deswegen nach Island geschickt wurde, falls Sie darauf anspielen. Soweit ich weiß, ist er einmal aus Norwegen ausgewiesen worden. Die Norweger fanden heraus, wer er war, als er versuchte, einen hoch gestellten Beamten im Außenministerium zur Zusammenarbeit zu bewegen.«
    »Was wissen Sie über Lothar Weisers Verschwinden?«
    »Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, war bei einem Empfang in der sowjetischen Botschaft. Kurze Zeit später hieß es dann, dass er spurlos verschwunden wäre. Das war im Jahr 1968. Es waren schlimme Zeiten damals wegen dem, was in Prag passierte, und in dem Zusammenhang hat sich Weiser auf diesem Empfang über den Ungarnaufstand 1956 ausgelassen. Ich hörte nur ein paar Gesprächsfetzen, aber ich kann mich noch daran erinnern, denn das, was er sagte, war irgendwie typisch für ihn.«
    »Und was hat er gesagt?«, fragte Sigurður Óli.
    »Er sprach über irgendwelche Ungarn, die er in Leipzig kannte«, sagte Miroslav. »Vor allem über eine Frau, die damals viel mit isländischen Studenten in Leipzig zusammen war.«
    »Erinnern Sie sich daran, was er genau gesagt hat?«
    »Er sagte, dass er wüsste, wie man mit diesen politischen Abweichlern umspringen müsste, diesen Dissidenten in der

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