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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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ður Óli an. »Alle, die in Leipzig waren.«
    Sie schwieg eine Weile, während sie sich in die Zeit zurückversetzte, als sie jung war und das ganze Leben vor ihr lag.
    »Wir hatten Ideale«, sagte sie, und ihr Blick wanderte zu Elínborg. »Ich weiß nicht, ob es heutzutage noch jemanden gibt, der welche hat. Ich meine, von den jungen Leuten. Aufrichtige Ideale von einer besseren und gerechteren Welt. Ich glaube nicht, dass heute noch jemand so denkt. Heute geht es doch nur darum, wie man zu möglichst viel Geld kommt. Damals hat niemand so gedacht, es ging nicht darum, zu Geld zu kommen oder etwas zu besitzen. Da gab es nicht dieses beispiellose Konsumdenken. Niemand besaß etwas, außer vielleicht schöne Ideale.«
    »Die aber auf Lügen beruhten«, sagte Sigurður Óli. »Ist das nicht richtig? Zumindest zum größten Teil?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Rut. »Auf Lügen beruhten? Was ist eine Lüge?«
    »Nein«, sagte Sigurður Óli eigentümlich brüsk. »Was ich meine, ist, dass der Kommunismus praktisch überall auf der Welt abgeschafft worden ist, abgesehen von Ländern, in denen es grobe Verstöße gegen die Menschenrechte gibt, beispielsweise China und Kuba. Es gibt kaum noch Leute, die sich dazu bekennen, dass sie einmal Kommunisten gewesen sind. Es ist beinahe ein Schimpfwort geworden. So ist es damals nicht gewesen, oder?«
    Elínborg starrte Sigurður Óli schockiert an. Sie konnte nicht glauben, dass Sigurður Óli diese Frau absichtlich vor den Kopf stoßen wollte. Es kam für sie allerdings nicht ganz überraschend. Sie wusste, dass Sigurður Óli konservativ wählte, und sie hatte hin und wieder seine Ansichten über die isländischen Kommunisten gehört: dass sie endlich mal mit der Vergangenheit aufräumen müssten, nachdem sie jahrzehntelang ein total kaputtes System verteidigt hätten, ein System, von dem sie wussten, dass es nichts anderes bedeutete als Diktatur und Unterdrückung, da, wo es voll zum Tragen kam. Als hätten die Kommunisten ihre Vergangenheit noch nicht bewältigt, als hätten sie es besser wissen müssen und trügen die Verantwortung für all diese Lügen. Vielleicht hatte er sich deswegen jetzt Rut als Zielscheibe vorgenommen. Vielleicht war ihm auch einfach mal wieder nur der Geduldsfaden gerissen.
    »Du hast das Studium abbrechen müssen«, beeilte Elínborg sich zu sagen, um das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
    »Für uns gab es kein edleres Ziel«, sagte Rut, die ihre Blicke nicht von Sigurður Óli abwandte. »Und das hat sich nicht geändert. Der Sozialismus, an den wir geglaubt haben und glauben, ist immer noch derselbe und hat seinen Anteil daran, dass hier eine Arbeiterbewegung entstanden ist. Er garantierte uns menschenwürdigere Arbeitsbedingungen und kostenlose Krankenhausbehandlungen, wenn dir oder deinen Angehörigen etwas zustößt. Und nur seinetwegen hast du eine Ausbildung machen können! Er hat die Sozialversicherung ermöglicht und unser ganzes Wohlfahrtssystem. Aber das ist gar nichts im Vergleich zu dem Sozialismus, nach dem wir alle leben, du und ich und sie, wenn wir überleben wollen. Es ist dieser Sozialismus, der uns zu Menschen macht. Denk bloß nicht, dass du mir mit solchen höhnischen Bemerkungen kommen kannst, Jungchen!«
    »Bist du dir wirklich sicher, dass das alles durch den Sozialismus erreicht worden ist?«, fragte Sigurður Óli zurück. Er ließ nicht locker. »Soweit ich weiß, waren es die Konservativen, die das Sozialversicherungssystem aufgebaut haben.«
    »Blödsinn«, sagte Rut.
    »Und die Sowjetunion?«, sagte Sigurður Óli. »War das nicht eine einzige Riesenlüge?«
    Rut schwieg eine Weile.
    »Wieso ist dir daran gelegen, mich zur Rechenschaft zu ziehen?«, fragte sie.
    »Ich ziehe dich nicht zur Rechenschaft«, sagte Sigurður Óli.
    »Es kann gut sein, dass es manchem notwendig erschien, eine unerbittliche Position zu beziehen«, sagte Rut. »Vielleicht war genau das zu einem gewissen Zeitpunkt erforderlich. Aber das würdest du nie kapieren. Die Zeiten ändern sich, die Anschauungen ändern sich und die Menschen auch. Nichts ist unveränderlich. Ich begreife diese Wut nicht. Woher kommt sie?«
    Sie schaute Sigurður Óli direkt ins Gesicht.
    »Woher kommt diese Wut?«
    »Ich wollte keinen Streit vom Zaun brechen«, sagte Sigur- ður Óli. »Das war keineswegs meine Absicht.«
    »Kannst du dich an jemanden in Leipzig erinnern, der Lothar hieß?«, fragte Elínborg verlegen. Sie hoffte insgeheim darauf, dass

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