Kaeltezone
er?«, fragte Elínborg.
»Er fragte mich nach Emíl«, sagte Hannes. »Ob Emíl für Lothar gearbeitet hätte. Ob sie einen engen Kontakt zueinander gehabt hätten. Ich wusste absolut nicht, weswegen er danach fragte, aber ich habe ihm gesagt, dass ich mir völlig sicher war, dass Emíl großen Wert darauf legte, bei Lothar einen Stein im Brett zu haben.«
»Inwiefern warst du dir sicher?«, fragte Elínborg.
»Emíl war alles andere als eine Leuchte, und er hatte im Grunde genommen eigentlich nichts an der Universität verloren, aber er war überzeugter Sozialist. Alles, worüber wir redeten, wurde direkt an Lothar weitergetragen, und Lothar hat dafür gesorgt, dass Emíl nicht nur ein dickes Stipendium bekam, sondern auch ausgezeichnete Noten hatte. Und Tómas und Emíl waren befreundet.«
»Inwiefern warst du dir sicher?«, wiederholte Erlendur.
»Weil es mir einer der Dozenten an der Uni gesagt hat, als ich mich von ihm verabschiedete. Nachdem ich relegiert wurde. Er fand es bedauerlich, dass ich mein Studium nicht zu Ende bringen konnte. Er sagte mir, dass man im gesamten Lehrkörper darüber gesprochen hätte, denn die Dozenten waren nicht begeistert über solche Studenten wie Emíl. Aber sie konnten nichts dagegen machen. Sie waren auch nicht begeistert über Leute wie Lothar. Dieser Professor sagte mir, dass Emíl großen Wert für Lothar besitzen müsse, denn seine fachlichen Leistungen waren miserabel. Lothar hatte der Univerwaltung zu verstehen gegeben, dass Emíl nicht durchfallen durfte. Es lief über die FDJ, aber Lothar steckte dahinter.«
Hannes schwieg eine Weile.
»Emíl war im Gegensatz zu uns ein Hardliner«, sagte er schließlich. »Ein unbeugsamer Kommunist und Stalinist.« »Weshalb …«, begann Erlendur, aber Hannes, der sich wieder als junger Student in Leipzig zu befinden schien, redete ganz in Gedanken weiter.
»Es hat einen so total überrascht«, sagte er, während er vor sich hin starrte, »dieses ganze System. Wir lernten die Parteidiktatur und Angst und Unterdrückung kennen. Einige versuchten nach ihrer Rückkehr, innerhalb unserer Partei darauf aufmerksam zu machen, aber sie konnten nichts ausrichten. Mir kam es immer so vor, als sei der Sozialismus in der DDR nichts anderes als eine Art Fortsetzung des Nationalsozialismus gewesen. Die Leute standen zwar unter der Fuchtel der Sowjets, aber ich habe ziemlich bald das Gefühl gehabt, dass der Sozialismus in der DDR nur eine andere Version der nationalsozialistischen Unterdrückung war.«
Dreißig
Hannes räusperte sich und blickte sie an. Sie spürten beide, dass es ihm nicht leicht fiel, über sein Studium in Leipzig zu sprechen. Er schien es nicht gewöhnt zu sein, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Erlendur hatte ihn dazu gezwungen, sich mit ihnen zu unterhalten.
»Müsst ihr noch mehr wissen?«, fragte er.
»Dieser Tómas kommt also, viele Jahre nachdem er aus Leipzig zurückgekehrt war, hierher und fragt dich nach Emíl und Lothar, und du hast ihm erklärt, du seist davon überzeugt, dass sie unter einer Decke steckten«, sagte Erlendur. »Dass Emíl ihm im Zuge der gegenseitigen Überwachung Informationen zugetragen hat.«
»Ja«, sagte Hannes.
»Warum hat er nach Emíl gefragt, und wer war Emíl?«
»Das hat er mir nicht gesagt, und ich weiß sehr wenig über Emíl. Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er im Ausland geblieben ist. Ich glaube, er ist nach dem Studium nicht wie alle anderen nach Island zurückgekehrt. Vor ein paar Jahren habe ich Karl getroffen, der auch mit uns in Leipzig war. Wir waren beide in Skaftafell, und bei unseren Gesprächen kamen natürlich auch viele Dinge aus der Vergangenheit zur Sprache. Er sagte unter anderem, dass Emíl seines Wissens entschlossen gewesen war, nach dem Studium nicht nach Island zurückzugehen. Er hatte auch seitdem nie wieder etwas von ihm gesehen oder gehört.« »Aber dieser Tómas – weißt du etwas über ihn?«
»Nein, eigentlich nicht. Er hat in Leipzig Ingenieurwissenschaften studiert, aber soweit ich weiß, hat er nie in seinem Fach gearbeitet. Er wurde, wie gesagt, ebenfalls relegiert. Ich habe ihn nur zweimal getroffen, das eine Mal, als er aus der DDR zurückkam, und dann, als er mich wegen Emíl besuchte.«
»Erzähl uns mehr darüber«, bat Elínborg.
»Da gibt es nicht sonderlich viel zu erzählen. Er kam zu Besuch, und wir unterhielten uns über alte Zeiten.«
»Warum war er auf einmal so an diesem Emíl interessiert?«, fragte
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